Arche
wörtlich. Es heißt ja ganz eindeutig, dass Gott die Erde nie wieder mit einer Flut überziehen würde.«
»Soll das heißen, dass diesmal jemand anderes die Schmutzarbeit erledigen könnte?«
»Ich meine nur, dass man es auch so sehen könnte.«
»Ich kenne Leute, denen das zuzutrauen wäre«, bemerkte Tyler.
»Dann müssen diese Leute wahnsinnig sein.«
»Genau das vermute ich – nach all dem, was uns zugestoßen ist.«
»Aber wie würden diese Leute eine Flut zuwege bringen, die die Welt zerstört?«
»Oasis war geplant als Schutzburg vor Strahlung, Seuchen und chemischen Wirkstoffen. Zu Noahs Zeiten war es vielleicht möglich, die Menschheit mit einer Sintflut auszulöschen, aber ich glaube, dieses Mal wollen sie ein Mittel einsetzen, das sie bereits in Rex Haydens Flugzeug ausprobiert haben. Vielleicht sollten wir die Verbindung zu Noahs Arche eher metaphorisch verstehen.«
Dilara überlegte. »Aber Sam sagte, mein Vater habe die Arche gefunden. Die wahre Arche. Da muss noch mehr dahinter stecken. Ich bin mir sicher.«
»Vielleicht helfen uns die Trümmer von Haydens Flugzeug weiter. Wir fangen morgen an, wenn wir wieder in Phoenix sind. Bis dahin sollten wir uns ausruhen.«
»Es ist so frustrierend. Ich habe das Gefühl, wir müssen irgendetwas tun.«
»Dann fangen Sie an: Öffnen Sie den Wein. Und da wir schon ein Glas zusammen trinken, was halten Sie davon, wenn wir uns duzen?«
Er legte die dampfenden Lachssteaks auf zwei Teller. »Das Essen ist serviert.«
Bei Tisch sprachen sie nicht über die Klemme, in der sie steckten. Tyler erzählte Dilara interessante Episoden aus seinem Berufsleben, und sie unterhielt ihn mit Anekdoten ihrer Ausgrabungen. Als sie von ihrem Kollegen und dem Kamel mit den Blähungen erzählte, lachte Tyler lauthals.
»Du scheinst nicht oft zu Hause zu sein. Ich vermute, du hast keine Kinder?«
Dilara schüttelte den Kopf. »Weder Zeit noch Lust. Du?«
»Nein. Karen wollte Kinder. Ich auch, irgendwann, aber ich
habe es immer aufgeschoben.« Er wusste nicht, warum er das gesagt hatte. Vielleicht lag es am Wein.
»Ich habe auch gar keinen Platz«, fuhr Dilara rasch fort. »Ich wohne in einem lausigen Apartment. Aber dein Haus ist herrlich.«
»Das ist alles Karens Verdienst. Ich habe nur ein Fernsehzimmer im Tiefgeschoss eingerichtet. Und ironischerweise benutze ich es so gut wie nie. Ich habe mir ein paar Autorennen angesehen, und das war’s auch schon.«
»Deine Frau hatte ein Auge für Inneneinrichtung. Was hat sie beruflich gemacht?«
»Sie war Therapeutin für behinderte Kinder. Sie waren Karens Lebensinhalt. Ständig ist sie eingesprungen und hat Extrastunden gemacht. Deshalb kam sie auch in der Nacht, als der Unfall geschah, so spät nach Hause.« Was war denn nur in ihn gefahren? Mit Leuten, die er gerade erst kennengelernt hatte, sprach er sonst nie über Karen. Er sprach mit kaum jemandem über sie. Es fiel so schwer.
»Wann war das?«
»Vor fast zwei Jahren. Es regnete. Ihre Bremsen versagten, als sie sich einer Kreuzung näherte. Sie hatte mir ein paar Mal gesagt, dass mit ihren Bremsen etwas nicht in Ordnung sei, aber ich steckte gerade bis über beide Ohren in Arbeit. Ich habe nicht überlegt, dass es etwas Ernstes sein könnte, sondern versprach ihr nur, mich darum zu kümmern, sobald ich von meiner Geschäftsreise zurück sei. Und dann habe ich es vergessen. Die Ampel war rot, sie konnte nicht halten. Ein Geländewagen erwischte sie mit achtzig Stundenkilometern.«
»Wie grauenvoll.«
Er musste tief durchatmen, als er an den entsetzlichen Telefonanruf dachte. »Ich war gerade in Russland bei der Verlegung einer Pipeline. Es dauerte zwei Tage, bis ich endlich
hier ankam. Wetterprobleme und keine Anschlussflüge. Meine Frau starb, während ich in Hongkong auf eine Maschine wartete.« Er hatte plötzlich eine trockene Kehle und musste schlucken. Dann sah er die weiße Wand an. »Zwölf Stunden früher, und ich hätte sie noch lebend gesehen. Auch ein Grund, warum wir jetzt mit Firmenjets fliegen.«
Dilara schwieg. Aber ihr betroffenes Gesicht veranlasste Tyler, weiterzusprechen.
»Fast ein ganzes Jahr lang habe ich kein Auge zugetan. Der Unfall wollte mir nicht mehr aus dem Sinn. Ich habe auf mich eingeredet, dass ich es doch nicht wissen konnte.« Er lachte kläglich. »Immerhin bin ich Spezialist für Systemversagen und Unfälle. Ich bin Ingenieur mit drei Diplomen, und meine Frau stirbt ausgerechnet wegen einer Sache, die zu verhindern
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