Archer Jeffrey
Spiel. Anders als heute, wo die jungen Leute das alles so tierisch ernst nehmen.“
„Und der Champion?“ frage ich in einem letzten Anlauf. „Harry Newman? Oh, der spielte wirklich hervorragend, besonders wenn er unter Druck stand. Es ist der Herr, der uns vorhin begrüßt hat, als wir kamen. Er sitzt mit seiner Frau dort drüben, an dem Ecktisch.“
Gehorsam sah ich zu Harry Newmans Tisch hinüber, doch da mein Gastgeber nichts weiter sagte, gab ich auf. Wir bestellten Kaffee, und Edwards Geschichte hätte an dieser Stelle geendet, wären nicht kurz darauf Harry Newman und seine Frau geradewegs auf unseren Tisch zugesteuert. Obwohl zwanzig Jahre älter als ich, hatte Edward sich lange vor mir von seinem Stuhl erhoben. Harry sah stehend noch imposanter aus, und seine kleine blonde Frau konnte man eher für das Dessert als für seine Gemahlin halten.
„Hallo Ed“, polterte er, „wie geht’s dir?“
„Danke, gut, Harry“, antwortete Edward. „Darf ich dir meinen Gast vorstellen?“
„Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen“, sagte Harry. „Sieh mal, Rusty, nun lernst du endlich Edward Shrimpton kennen, von dem ich dir schon so viel erzählt habe.“
„Ach, du hast mir schon von ihm erzählt, Harry?“ quiekte sie.
„Aber ja, natürlich! Du erinnerst dich doch, Schätzchen. Eds Name steht dort auf der Ehrentafel, direkt unter meinem. Und Ed war damals Weltmeister. Nicht wahr, Ed?“
„Ja, das stimmt, Harry.“
„Dann wäre damals also eigentlich mir der Weltmeistertitel zugestanden, findest du nicht auch?“
„Ich kann dem nicht widersprechen“, entgegnete Edward.
„An meinem großen Tag, Rusty, als es um die Wurst ging und ich unter Hochdruck stand, habe ich ihn in offenem und ehrlichem Kampf besiegt.“
Mir verschlug es vor Staunen die Sprache, denn Ed ward erhob noch immer keinen Einspruch.
„Wir sollten in Erinnerung an alte Zeiten wieder mal ein Spielchen riskieren“, fuhr der Dicke fort. „Ich bin neugierig, ob du mich diesmal unterkriegen würdest. Allerdings bin ich leider nicht mehr so rüstig, sondern schon etwas rostig, Rusty.“ Er lachte lautstark über seinen eigenen Witz, doch seine Ehefrau verzog keine Miene. Ich fragte mich, wie lange es wohl dauern würde, bis es eine fünfte Mrs. Newman gab.
„Es war ein Vergnügen, dich wiederzusehen, Ed. Gib gut acht auf dich.“
„Danke, Harry“, erwiderte Edward.
Als Harry Newman und seine Frau gegangen waren, setzten wir uns wieder. Der Kaffee war inzwischen kalt geworden, und wir bestellten uns ein zweites Kännchen. Der Raum hatte sich allmählich geleert, und nachdem ich uns den heißen Kaffee eingeschenkt hatte, lehnte Edward sich vor und flüsterte im Verschwörerton:
„Für Sie als Verleger wäre das eine Bombengeschichte“, sagte er. „Ich meine, die Wahrheit über Harry Newman.“
Gespannt auf seine Version der Geschehnisse vor mehr als dreißig Jahren spitzte ich die Ohren.
„Tatsächlich?“ fragte ich mit Unschuldsmiene.
„Jawohl“, sagte Edward. „Die Sache war nämlich nicht so einfach, wie Sie vielleicht glauben. Harry wurde damals, kurz vor Kriegsbeginn, von seinem Geschäftspartner übers Ohr gehauen, der ihm nicht nur sein Geld stahl, sondern zu allem Überfluß auch noch seine Frau mitnahm. Ausgerechnet in der Woche, in der er am absoluten Tiefpunkt angelangt war, hat er die Clubmeisterschaft gewonnen, sich von da an über alle Schwierigkeiten hinweggesetzt und sich trotz härtester Konkurrenz eine glanzvolle neue Berufskarriere aufgebaut. Heute ist er ein schwerreicher Mann, müssen Sie wissen. Nun, wäre das nicht eine Bombengeschichte?“
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst
Das erstemal hatten die beiden Männer einander gesehen, als man sie, fünfjährig, nebeneinander auf dieselbe Schulbank setzte, und zwar aus keinem zwingenderen Grund, als daß ihre Namen, Thomson und Townsend, im Klassenbuch hintereinander zu stehen kamen. Bald waren sie dick befreundet – in diesem Alter ein Band, das fester verbindet als jede Ehe. Nachdem sie die Elementarschule hinter sich gebracht hatten, kamen sie ihn ihrer Heimatstadt in die Mittelschule, ohne daß sich irgendwelche Timpsons, Tooleys oder Tomlinsons zwischen sie geschoben hätten, und nach sieben Jahren an dieser humanistischen Anstalt waren sie reif, sich für Beruf oder Studium zu entscheiden. Sie wählten das letztere einfach deshalb, weil man Arbeit solange wie möglich hinausschieben soll. Glücklicherweise besaßen sie genug Grips und Mutterwitz für
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