Archer Jeffrey
müsse eine Menge schwer zugängliches Informationsmaterial für eine angloamerikanische Zigarettenfirma beschaffen. Die beiden genossen abwechslungsreiche Tage in New York, deren Höhepunkt eine am letzten Abend von ABC veranstaltete Party mit einer Voraufführung von Michaels Film über New York darstellte. Der Streifen hieß: „Ein Engländer in New York.“ Als Michael und Adrian in den Ateliers der ABC-Film eintrafen, war die Party bereits in vollem Gang, und sie betraten den Schauplatz mit der Absicht, sich ein paar Drinks zu gönnen und dann früh schlafen zu gehen, weil sie am nächsten Tag nach England zurückfliegen mußten.
Beide erblickten sie genau im selben Augenblick. Sie war mittelgroß und schlank, hatte sanfte grüne Augen und kastanienfarbenes Haar – eine verblüffende Mischung ihrer Idealvorstellungen. Schlagartig wußte jeder der beiden ganz genau, wo er diese Nacht zu verbringen wünschte, und mit nur einem einzigen Ziel im Kopf gingen sie gleichzeitig entschlossen auf sie zu. „Hallo, ich bin Michael Thompson.“
„Hallo“, antwortete sie, „ich heiße Debbie Kendall.“ „Und ich bin Adrian Townsend.“
Sie streckte ihnen die Hand entgegen, und beide versuchten
sie zu erhaschen. Als die Party zu Ende ging, hatten sie herausgefunden, daß Debbie Kendall als Moderatorin einer Nachrichtenagentur bei ABC arbeitete. Sie war geschieden und hatte zwei Kinder, die bei ihr in New York lebten. Aber weder Michael noch Adrian war es geglückt, einen tieferen Eindruck auf sie zu machen, und sei es nur deshalb, weil jeder sich so bemühte, den anderen auszustechen; sie gaben beide ganz fürchterlich an, und es kam fast zu einer Katzbalgerei darüber, wer der neuen Angebeteten etwas zu essen und wer ihr einen Drink bringen durfte. Jeder benutzte die Abwesenheit des anderen, um seinem Freund subtil, aber gründlich, die Suppe zu versalzen.
„Adrian ist ein lieber Kerl, nur trinkt er leider ein bißchen viel“, sagte Michael.
„Ein Supertyp, dieser Michael, seine Frau ist zauberhaft – und Sie sollten erst einmal seine drei reizenden Kinder sehen“, ereiferte sich Adrian.
Gemeinsam begleiteten sie Debbie heim und verabschiedeten sich zögernd an der Schwelle ihres Hauses in der achtundsechzigsten Straße. Sie küßte beide flüchtig auf die Wange, dankte ihnen für den schönen Abend und wünschte ihnen eine gute Nacht. Schweigend gingen sie miteinander zum Hotel zurück.
Als sie ihr Zimmer im neunzehnten Stock des Hotels Plaza betraten, ergriff Michael als erster das Wort.
„Tut mir leid“, sagte er. „Ich habe mich wie ein Vollidiot benommen.“
„Ich bin dir nichts schuldig geblieben“, sagte Adrian. „Wir sollten uns doch einer Frau wegen nicht in die Haare geraten. So etwas haben wir schließlich bisher nie getan.“
„Stimmt“, sagte Michael. „Wie war’s mit einer Vereinbarung zwischen Ehrenmännern?“
„Was schlägst du vor?“
„Da wir beide schon morgen früh nach London zurückfahren, könnten wir uns doch darauf einigen, daß derjenige, der zuerst wieder nach New York kommt…“
„Großartig“, sagte Adrian, und sie schüttelten einander die Hand, um ihr Abkommen zu besiegeln, ganz als wären sie immer noch zwei Schuljungen auf dem Kricketplatz, die sich entscheiden müssen, wer als erster den Ball schlägt. Dann stiegen sie in ihre Betten und fielen in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Kaum in London angelangt, unternahm jeder der beiden Männer alles, was in seinen Kräften stand, um einen Vorwand für eine Fahrt nach New York zu finden. Keiner versuchte Debbie Kendall telephonisch oder brieflich zu erreichen, denn dadurch hätte er ihr Gentleman’s agreement gebrochen, aber als aus Wochen allmählich Monate wurden, begannen sie schon die Hoffnung aufzugeben, weil es so aussah, als böte sich keinem die Gelegenheit zu einem Wiedersehen. Dann erhielt Adrian eine Einladung nach Los Angeles, wo er bei einer Konferenz von Medienfachleuten einen Vortrag halten sollte. Seine Genugtuung über diesen Auftrag überstieg jedes erträgliche Maß, denn er war überzeugt, es würde ihm schon gelingen, auf dem Rückweg nach London Zwischenstation in New York zu machen. Michael jedoch entdeckte, daß British Airways billige Flugtickets für Ehefrauen offerierte, die ihre Männer auf Geschäftsreisen begleiteten, und so fand Adrian keine Gelegenheit, via New York heimzureisen. Michael stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, der sich in ein Triumphgeheul verwandelte, als
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