Archer Jeffrey
man ihn dazu erkor, aus Washington über die Eröffnungsrede des Präsidenten vor dem Kongreß zu berichten. Er redete dem Chef der Auslandsabteilung ein, es sei sinnvoll, die Rückreise in New York zu unterbrechen, um die Kontakte zu ABC, die er beim letztenmal angebahnt hatte, zu intensivieren. Den Chef der Auslandsabteilung überzeugte dieses Argument, doch schärfte er Michael ein, er müsse tags darauf wieder daheim sein, um die Sendung über die Eröffnungssitzung des britischen Parlaments zu moderieren.
Adrian rief Michaels Frau an, um sie über billige Transatlantikflüge für Ehefrauen zu informieren, die ihre Männer auf Geschäftsreisen begleiteten. „Wie lieb von dir, daran zu denken, Adrian, aber leider bekomme ich von meiner Schule während des Semesters keinen Urlaub, und außerdem habe ich entsetzliche Angst vorm Fliegen.“
Michael zeigte größtes Verständnis für die Ängste seiner Frau und buchte einen Einzelflug.
Am darauffolgenden Montag flog er nach Washington und rief Debbie Kendall von seinem Hotelzimmer aus an; er fragte sich, ob sie sich wohl noch an die beiden aufgeblasenen Engländer erinnerte, denen sie vor einigen Monaten begegnet war, und wenn ja, ob sie auch noch wissen würde, welcher der beiden er sei. Nervös wählte er ihre Nummer und lauschte auf das Signal. War sie zu Hause, ja war sie zur Zeit überhaupt in New York? Endlich machte es „Klick“, und eine sanfte Stimme meldete sich.
„Hallo Debbie, hier spricht Michael Thompson.“
„Hallo Michael, was für eine nette Überraschung! Sind Sie in New York?“
„Nein, in Washington, aber ich könnte hinüberfliegen. Sie hätten nicht zufällig am Donnerstag Zeit, mit mir essen zu gehen?“
„Warten Sie, ich sehe einmal in meinem Kalender nach.“
Michael hielt den Atem an, während er wartete. Es schienen Stunden zu vergehen.“
„Ja, ich glaube, das geht gut.“
„Ist ja phantastisch. Soll ich Sie gegen acht abholen?“
„Ja, gerne, Michael. Ich freue mich darauf, Sie wiederzusehen.“
Ermutigt durch diesen schnellen Erfolg schickte Michael sogleich ein Beileidstelegramm an Adrian, dem er zu dem schweren Verlust sein Mitgefühl aussprach. Von Adrian kam keine Antwort.
Kaum hatte er Donnerstag nachmittags die redaktionelle Fassung der Inaugurationsrede des Präsidenten für sein Londoner Büro beendet, flog Michael mit dem Airbus nach New York. Nachdem er ein Hotelzimmer bezogen hatte – diesmal ein Doppelzimmer, für den Fall, daß Debbies Kinder daheim waren – , badete er und rasierte sich gründlich, wobei er sich zweimal schnitt und auch ein bißchen zuviel Aftershave auftrug. Er durchwühlte seinen Koffer, um die vorteilhaftesten Kleidungsstücke und die eindrucksvollste Krawatte auszuwählen, und als er endlich angezogen war, studierte er lange sein Spiegelbild und kämmte sorgfältig sein frisch gewaschenes Haar, damit die langen, allmählich dünner werdenden Strähnen, ohne unnatürlich zu wirken, jene Partien verdeckten, wo sich Geheimratsecken zu bilden drohten. Nachdem er sein Aussehen nochmals gründlich überprüft hatte, gelangte er endlich zu der Überzeugung, daß man ihm seine achtunddreißig Jahre nicht ansah. Zufrieden bestieg Michael darauf den Lift ins Parterre, ging hinaus auf die neonerleuchtete Fifth Avenue und marschierte gutgelaunt in Richtung der achtundsechzigsten Straße. Unterwegs erwarb er in einem kleinen Laden Ecke fünfundsechzigste Straße und Madison Avenue ein Dutzend Rosen, wonach er, vergnügt vor sich hinsummend, weiterging. Fünf Minuten vor acht stand er vor Debbie Kendalls kleinem Ziegelhaus.
Als Debbie die Tür öffnete, dachte Michael, daß sie noch schöner war, als er sie in Erinnerung gehabt hatte. Sie trug ein langes blaues Kleid mit einem duftigen weißen Spitzenkragen und Manschetten, und obwohl es ihren Körper vom Hals bis zu den Knöcheln bedeckte, hätte sie nicht begehrenswerter wirken können. Sie war fast nicht geschminkt, hatte nur eine Spur Lippenstift aufgelegt, und Michaels Absicht, im Lauf des Abends auch diesen zu beseitigen, stand sogleich fest. Ihre grünen Augen schimmerten.
„Sagen Sie doch etwas“, sagte sie lächelnd.
„Sie sehen überwältigend aus, Debbie“, war alles, was ihm einfiel, als er ihr die Rosen überreichte.
„Ach, wie lieb von Ihnen“, antwortete sie und bat ihn ins Haus. Michael folgte ihr in die Küche, wo sie die Enden der langen Stiele flach klopfte und dann die Blumen m einer Porzellanvase liebevoll anordnete. Danach
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