Archer Jeffrey
Schreibtisch. Er versuchte, etwas Interesse für die wöchentliche Sitzung des Aufsichtsrates aufzubringen; nur Punkt sieben schien wesentlich. Kurz vor elf begab er sich in das Sitzungszimmer. Die meisten seiner Kollegen saßen schon am Konferenztisch, als Derek Spencer pünktlich um elf Uhr den ersten Punkt verlas.
Während der folgenden üblichen Diskussion über Bankzinsen, Bewegungen der Metallpreise, Eurobonds und Anlagestrategien kehrten Charles’ Gedanken immer wieder zu der bevorstehenden Wahl zurück, und wie wichtig eine Unterstützung des Siegers wäre, wenn er rasch von den hinteren Bankreihen vorrücken wollte.
Als man zu Punkt sieben kam, hatte Charles seine Entscheidung getroffen. Derek Spencer eröffnete die Diskussion über die vorgeschlagenen Darlehen an Mexiko und Polen. Die meisten Direktoren teilten seine Meinung, daß man sich an einem davon beteiligen, aber nicht beide riskieren sollte. Charles’ Gedanken aber waren weder in Mexiko City noch in Warschau. Sie waren vielmehr der Heimat sehr nahe, und als der Vorsitzende abstimmen ließ, merkte Charles es nicht.
»Mexiko oder Polen, Charles. Was ziehen Sie vor?«
»Heath«, antwortete er.
»Wie bitte?« fragte Derek Spencer.
Charles kehrte von Westminster nach Threadneedle Street zurück, um festzustellen, daß ihn alle anstarrten. Wie jemand, der sich etwas sehr genau überlegt hatte, sagte er mit Überzeugung: »Mexiko« und fügte hinzu: »Der große Unterschied zwischen den beiden Ländern besteht in ihrer Einstellung zur Rückzahlung. Vielleicht will Mexiko nicht zurückzahlen, Polen aber wird nicht zurückzahlen können. Deshalb müssen wir unser Risiko begrenzen und Mexiko unterstützen. Kommt es zu einem Rechtsstreit, so habe ich als Gegner lieber jemanden, der nicht zahlen will, als jemanden, der nicht zahlen kann.« Die älteren Mitglieder nickten zustimmend. Man hatte den richtigen Sohn von Bridgwater in den Aufsichtsrat gewählt.
Nach der Sitzung begab sich Charles mit seinen Kollegen zum Lunch in den Speisesaal der Bank. Ein Raum mit einem Brueghel, einem Goya, einem Rembrandt und zwei Hogarths die auch den nachsichtigsten Gourmet ablenken konnten; wieder ein kleiner Beweis für die Fähigkeit seines Urgroßvaters, immer das Beste zu wählen. Charles unterließ es, sich zwischen Stilton- und Cheddar-Käse zu entscheiden, weil er lieber bei der Fragestunde im Unterhaus anwesend sein wollte.
Er ging sofort in den Rauchsalon, seit langem das Reservat der Konservativen. Dort, in den tiefen Lederfauteuils und der von Zigarrenrauch geschwängerten Luft, sprach man nur über Sir Alecs Nachfolger. Pimkins schrille Stimme war nicht zu überhören. »Da Edward Heath, während wir die Steuervorlage debattieren, Schattenkanzler ist, muß er unweigerlich zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit werden.«
Etwas später kehrt Charles wieder in den Sitzungssaal zurück; er wollte Heath und sein Schattenkabinett beobachten, wenn sie die Zusatzanträge der Regierung behandelten.
Als er eben wieder gehen wollte, stand Raymond Gould auf, um eine Novelle einzubringen. Mit widerwilliger Bewunderung hörte ihm Charles zu: Raymonds intellektuelle Fähigkeiten und die Eindringlichkeit seiner Argumente wogen den Mangel an rednerischer Begabung bei weitem auf. Doch obwohl Gould ein gutes Stück besser war als alle anderen Neuen, hatte Charles keine Angst vor ihm. Mit Klugheit und Geschäftstüchtigkeit hatten zwölf Generationen der Bridgwater große Teile von Leeds beherrscht, ohne daß Leute wie Raymond Gould es auch nur bemerkt hatten.
Das Dinner nahm Charles an diesem Abend im Speisesaal für Mitglieder ein. Er saß zusammen mit den anderen konservativen Hinterbänklern an dem großen Tisch in der Saalmitte. Es gab nur ein Gesprächsthema, und da wieder und wieder dieselben zwei Namen genannt wurden, durfte man auf ein knappes Rennen schließen.
Als Charles nach der Zehn-Uhr-Abstimmung in sein Haus am Eaton Square zurückkehrte, lag Fiona schon im Bett und las einen Roman.
»Heute hat man dich aber früh ziehen lassen.«
»Ja«, erwiderte Charles und erzählte ihr, wie er den Tag verbracht hatte, bevor er ins Badezimmer verschwand.
Charles hielt sich für klug; seine Frau, Lady Fiona, einzige Tochter des Duke of Falkirk, aber war aus einem anderen Holz geschnitzt. Die Ehe wurde geplant, als die beiden noch Kinder waren, und weder Charles noch sie hatten die Klugheit dieser Wahl je in Frage gestellt. Obwohl Charles vor seiner Ehe zahlreiche Freundinnen gehabt
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