Archer Jeffrey
hatte, wußte er, daß er zu Fiona zurückkehren würde. Charles’ Großvater behauptete immer, die Aristokratie beginne, zu lax und sentimental über die Liebe zu denken. »Frauen«, erklärte er, »sind da, um Kinder zu bekommen und den Fortbestand der männlichen Linie zu garantieren.« Der alte Earl wurde in dieser Überzeugung noch bestärkt, als er feststellte, daß Rupert wenig Interesse am anderen Geschlecht zeigte und selten in Gesellschaft von Mädchen gesehen wurde. Fiona hätte nie daran gedacht, dem alten Herrn offen zu widersprechen; sie war entschlossen, daß ihr Sohn einst den Titel erben sollte. Doch trotz der zuerst enthusiastischen und später geplanten Versuche schien Charles unfähig, einen Erben zu zeugen. Ein Arzt in Harley Street versicherte Fiona, daß es nicht an ihr lag, und schlug vor, Charles sollte sich untersuchen lassen. Sie schüttelte den Kopf, wohl wissend, daß Charles einen solchen Vorschlag rundweg ablehnen würde. Sie erwähnte das Thema niemandem gegenüber mehr.
Fiona verbrachte ihre ganze freie Zeit im Wahlkreis ihres Mannes in Sussex Downs und förderte Charles’ politische Karriere. Mit der Tatsache, daß ihr keine romantische Ehe beschieden war, hatte sie sich abgefunden; sie begnügte sich mit den anderen Vorteilen. Obwohl viele Männer die schlanke, elegante Dame offen oder versteckt wissen ließen, daß sie sie begehrenswert fanden, ignorierte sie alle Avancen oder gab vor, sie nicht zu bemerken.
Als Charles in einem blauen Seidenpyjama aus dem Badezimmer kam, hatte Fiona einen Plan gefaßt, doch zuerst mußte sie ein paar Fragen stellen.
»Wen hättest du am liebsten?«
»Am liebsten hätte ich, daß Sir Alec weitermacht; schließlich sind die Homes seit mehr als vierhundert Jahren Freunde unserer beiden Familien.«
»Das bringt uns aber nicht weiter«, erwiderte Fiona. »Alle wissen, daß Alec abdankt.«
»Richtig, und deshalb habe ich den ganzen Nachmittag damit verbracht, die in Frage kommenden Kandidaten zu studieren.«
»Wer blieb übrig?«
»Heath und Maudling. Um ehrlich zu sein, habe ich mit keinem von beiden je länger als fünf Minuten gesprochen.«
»In diesem Fall müssen wir aus einem Nachteil einen Vorteil machen.«
»Was meinst du, altes Mädchen?« Charles stieg zu ihr ins Bett.
»Ich möchte wetten, daß weder Heath noch Maudling die Namen von zwanzig der neuen konservativen Mitglieder kennen.«
»Worauf willst du hinaus, Lady Macbeth?«
»Mein Plan wird niemandes Hände mit Blut beflecken. Wenn du deinen Duncan gewählt hast, schlägst du ihm vor, die Neulinge für ihn zu organisieren. Sollte er gewählt werden, wird er bestimmt ein, zwei neue Gesichter für sein Team haben wollen.«
»Das könnte stimmen.«
»Laß uns das überschlafen«, sagte Fiona und machte das Licht an ihrer Bettseite aus.
Charles schlief nicht, sondern überdachte die halbe Nacht, was sie gesagt hatte. Als Fiona am nächsten Morgen erwachte, setzte sie das Gespräch fort, als wäre es nie unterbrochen worden.
»Mußt du dich rasch entscheiden?«
»Nein, aber wenn ich es lang hinausschiebe, könnte man mir vorwerfen, daß ich mich erst deklariere, wenn der Sieger schon feststeht. Damit ist meine Chance, mich als Führer der neuen Mitglieder zu profilieren, vorbei.«
»Noch besser wäre es«, fuhr Fiona fort, »wenn du den Mann, für den du dich entscheidest, bevor er seine Kandidatur bekanntgibt, bittest, im Namen der neuen Mitglieder zu kandidieren.«
»Sehr klug«, stimmte Charles ein.
»Für wen hast du dich entschieden?«
»Für Heath«, antwortete Charles, ohne zu zögern.
»Ich vertraue deinem politischen Urteil«, sagte Fiona, »vertraue mir, wenn es um die Taktik geht. Zuerst werden wir einen Brief aufsetzen.«
Im Morgenrock auf dem Boden kniend, entwarf das elegante Paar einen Brief an Edward Heath. Um halb zehn war er endlich fertig und wurde durch Boten in dessen Haus nach Albany geschickt.
Am folgenden Morgen wurde Charles in die kleine Junggesellenwohnung zum Kaffee eingeladen. Man unterhielt sich länger als eine Stunde, und später, als die beiden Männer im Wohnzimmer standen, wurde die Vereinbarung besiegelt.
Charles nahm an, daß Sir Alec seinen Rücktritt im Spätsommer bekanntgeben würde; damit hatte er für seine Kampagne acht bis zehn Wochen Zeit. Fiona tippte eine Liste aller neuen Parlamentsmitglieder, und im Laufe der nächsten acht Wochen wurde jeder von ihnen zu Drinks auf den Eaton Square geladen. Geschickt sorgte Fiona dafür, daß andere Gäste,
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