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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rivalen
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Jahresende hatte jedes Mitglied des Schattenkabinetts zumindest einmal bei den Seymours gegessen; Fiona trug kein Kleid zweimal, und nie wurde ein Menü wiederholt.
Als das Parlamentsjahr im Herbst wieder begann, wisperten die politischen Auguren, daß Charles zu jenen gehöre, deren Namen man sich merken müsse. »Er treibt die Dinge voran«, fand man allgemein. Charles konnte kaum durch die Members’ Lobby gehen, ohne daß ein Journalist seine Meinung über irgend etwas wissen wollte, angefangen vom Butterberg bis zu Vergewaltigungen. Fiona schnitt getreulich jede Erwähnung seines Namens aus der Zeitung aus und mußte feststellen, daß es jemanden gab, der noch häufiger genannt wurde als ihr Mann – ein junger Sozialist aus Leeds namens Raymond Gould.
Bald nach seinem Erfolg in der Budgetdebatte verschwand Raymonds Name aus den politischen Spalten. Seine Kollegen nahmen an, daß er mit seiner Anwaltskarriere beschäftigt sei. Wären sie an seinem Zimmer im Temple vorbeigekommen, hätte sie das fortwährende Geklapper einer Schreibmaschine gehört, ihn jedoch nicht erreicht, weil er den Telefonhörer nicht aufgelegt hatte.
Jeden Abend schrieb Raymond Seite um Seite, las Fahnen, besserte sie aus und schlug in den Büchern nach, die sich auf seinem Schreibtisch türmten. Als sein Buch »Vollbeschäftigung um jeden Preis?« mit dem Untertitel »Überlegungen eines nach den dreißiger Jahren aufgewachsenen Arbeiters« erschien, war es sofort eine Sensation. Seine Vermutung, die Gewerkschaften würden ihren Einfluß verlieren und die Labour Party müsse, um die Stimmen der Jungen zu gewinnen, radikaler werden, machte ihn bei den Parteifunktionären nicht beliebter. Raymond hatte einen Empörungssturm bei den Gewerkschaften und beim radikalen linken Flügel vorausgesehen. A. J. P. Taylor meinte jedoch in der Times, das Buch sei eine fundierte und realistische Analyse der Labour-Partei, und bezeichnete den Verfasser als einen mutigen Politiker von seltener Ehrlichkeit. Raymond merkte bald, daß seine Strategie und die harte Arbeit sich gelohnt hatten. Bei jedem politischen Abendessen bildete er das Hauptgesprächsthema.
Joyce war von seinem Buch tief beeindruckt und verwendete viel Zeit darauf, Gewerkschaftler, die nur aus dem Zusammenhang gerissene Sätze gelesen hatten, zu überzeugen, daß das Buch in Wahrheit leidenschaftliche Sympathie für die Gewerkschaften ausdrückte, aber gleichzeitig die Chancen der Labour-Partei, an die Macht zu kommen, realistisch analysierte.
Der Chief Whip der Partei nahm Raymond beiseite und riet ihm: »Du hast viel Staub aufgewirbelt, mein Junge. Halt den Kopf ein paar Monate lang gesenkt, und du wirst sehen, daß dich jedes Kabinettsmitglied zitieren wird, als handle es sich um die offizielle Parteilinie.«
Raymond folgte seinem Rat, mußte jedoch nicht monatelang warten. Genau drei Wochen nach dem Erscheinen des Buches zitierte der Premier beim Treffen der Bergarbeiter einen ganzen Absatz. Ein paar Wochen später erhielt Raymond ein Scheiben aus Downing Street Nr. 10 mit dem Ersuchen, die Rede, die der Premier beim Gewerkschaftskongreß halten wolle, durchzulesen und seine Vorschläge hinzuzufügen.
    Nach Maudlings Niederlage schmollte Simon Kerslake etwa vierundzwanzig Stunden. Dann beschloß er, seine Aufmerksamkeit den Regierungsbänken zuzuwenden. Rasch stellte er fest, daß es zweimal in der Woche fünfzehn Minuten gab, in denen jemand mit seiner rednerischen Begabung Gehör finden konnte. Jede Woche studierte er genau die Agenden und insbesondere die ersten fünf Anfragen, die Dienstag und Donnerstag an den Premier gerichtet wurden. Jeden Montagmorgen bereitete er für mindestens drei davon Ergänzungen vor. Er formulierte sie so lang, bis sie boshaft oder witzig waren, jedenfalls aber die Regierung in Verlegenheit brachten.
    Obwohl die Vorbereitung solcher Zusatzfragen einige Stunden in Anspruch nehmen konnte, klang es, als hätte sie Simon während der Fragestunde aus dem Stegreif formuliert. Elizabeth hänselte ihn, daß er für etwas, was sie trivial fand, so viel Zeit aufwendete. Er erinnerte sie an Churchills Worte, als man ihn für einen besonders brillante Erwiderung lobte. »Meine besten spontanen Bemerkungen habe ich Tage vorher vorbereitet.«
    Trotzdem war Simon erstaunt, wie rasch man es als selbstverständlich hinnahm, daß er immer fragte, angriff, beharrlich weiterfragte und dem Premier das Leben schwer machte. Wann immer er aufstand, wartete die Partei gespannt

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