Archer Jeffrey
wiederholten. Nur die gekritzelten Zeichnungen auf Andrews Block wurden besser. Doch durch seine Energie und seinen Charme wurde Andrew allmählich beliebt bei seinen Kollegen, und bald hatte er genug Selbstvertrauen, zuerst kleinere, später größere Abänderungen von Novellen vorzuschlagen. Die Unterschiedlichkeit des Strafsystems unter schottischem und englischem Recht störte ihn seit langem, und er setzte sich energisch für eine Angleichung der beiden Systeme ein. Bald mußte er feststellen, daß die schottischen Labour-Mitglieder traditionsverbundener und verzopfter waren als selbst die hartgesottensten Torys.
Als die Legislaturperiode zu Ende ging, lud er Alison ein, ein langes Wochenende im Landhaus seiner Eltern in Stirling zu verbringen.
»Erwartest du von mir, daß ich unter demselben Dach schlafe wie der Oberbürgermeister von Edinburgh?« fragte sie ihn.
»Warum nicht? Du hast die letzten sechs Monate mit seinem Sohn geschlafen.«
»Vielleicht unter demselben Dach, aber an diesem Wochenende werden wir nicht einmal im selben Bett schlafen können.«
»Warum nicht? Die Konservativen sind vielleicht Snobs, aber Heuchler sind sie nicht.«
Alison wollte nicht zugeben, daß sie in Wahrheit vor einem Wochenende mit Andrews Vater ein wenig Angst hatte. Seit mehr als zwanzig Jahren wurde dieser am Frühstückstisch ihres eigenen Vaters fortwährend heruntergemacht.
Als sie den alten Wirrkopf, wie ihr Vater den ehemaligen Oberbürgermeister nannte, kennenlernte, mochte sie ihn sofort. Er erinnerte sie sehr an ihren eigenen Vater, und Lady Fraser war keineswegs die versnobte Xanthippe, von der ihre Mutter unentwegt gesprochen hatte.
Man kam sofort überein, während des Weekends nicht über Politik zu sprechen. Andrew und Alison verbrachten den Freitagnachmittag damit, über die mit Heidekraut bewachsenen Hügel zu streifen und zu besprechen, wie sie sich ihre Zukunft vorstellten. Samstag früh rief der Minister Sir Fergus an und lud ihn ins Bute House, die offizielle Residenz des Staatssekretärs für Schottland, zum Dinner ein.
Nach so vielen Jahren, in denen sich die Familien befehdet hatten, sahen beide Teile diesem Treffen etwas nervös entgegen, doch schien es, als würde den Kindern gelingen, was ihnen nicht gelungen war – die politische Kluft zu überbrücken. Die McKenzies hatten, um die Angelegenheit zu erleichtern, zwei andere Familien aus Edinburgh eingeladen, einen Zweig der Forsyths, denen das Warenhaus in der Prince Street gehörte, und die Menzies, die die größte Nachrichtenagentur des Landes besaßen.
Andrew beschloß, die Gelegenheit zu nutzen, um am Ende des Abendessens etwas zu verkünden, und da seine Einkäufe länger gedauert hatten als beabsichtigt, kam er als letzter in Bute House an.
Nachdem man die Tischkarten studiert und an der langen Tafel Platz genommen hatte, schwiegen die Gäste, während ein einsamer Dudelsackpfeifer eine melancholische Melodie spielte. Dann traf der Koch ein und präsentierte dem Hausherrn auf einem Silbertablett einen großen schottischen Pudding zur Begutachtung. Man fragte Sir Duncan nach seiner Meinung. »Warm – duftend – herrlich!« erklärte er. Zum erstenmal waren die beiden Männer hundertprozentig einer Meinung.
Andrew aß weniger als die anderen, weil er den Blick nicht von seinem Gegenüber abwenden konnte. Sie beachtete Andrew kaum, schien jedoch fortwährend zu lächeln oder zu lachen, so daß jeder in ihrer Nähe ihre Gesellschaft genoß. Andrew hatte Louise Forsyth zum letztenmal auf einem Hockeyplatz gesehen. Damals war sie ein rundliches kleines Mädchen mit Zöpfen gewesen, das eher die Knöchel der Jungen traf als den Ball. Jetzt trug sie das tiefschwarze Haar kurz gelockt, ihre Gestalt war schlank und voller Grazie. Nach dem Essen mischte sich Andrew unter die Gäste, und es gelang ihm nicht, auch nur einen Moment mit ihr allein zu sein. Er war erleichtert, daß Alison die Nacht bei ihren Eltern in Bute House verbringen wollte, während die Frasers nach Stirling zurückfuhren.
»Für einen Sozialisten bist du recht schweigsam«, bemerkte sein Vater auf der Heimfahrt.
»Er ist verliebt«, sagte die Mutter zärtlich.
Andrew antwortete nicht.
Am nächsten Morgen stand er früh auf und fuhr nach Edinburgh in sein Büro. Der Minister hatte das erste Flugzeug nach London genommen, jedoch eine Nachricht hinterlassen, Andrew möge ihn »in offizieller Angelegenheit« am folgenden Tag um zehn Uhr im Dover House – dem Londoner Sitz des
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