Archer Jeffrey
Mann in
dieser Abteilung bin.«
»Nein, William, ganz gleich, wie eng ihr befreundet seid, es fällt
nicht mehr nur in deine Verantwortung, wenn Matthew um elf Uhr
morgens betrunken in die Bank kommt.«
»Bitte, übertreib nicht.«
»Ich übertreib nicht, William. Die Bank hat Matthew Lester mehr
als ein Jahr ertragen, und ich habe meine Bedenken nur deshalb nicht
geäußert, weil ich weiß, wie gut du mit ihm und seiner Familie
befreundet bist. Ich wäre nicht traurig, wenn er kündigte. Ein größerer
Mann hätte das längst getan, und seine Freunde hätten ihm dazu
geraten.«
»Nie«, sagte William. »Wenn er geht, gehe ich auch.«
»Wenn du das willst«, sagte Tony. »Ich bin in erster Linie unseren
Kunden verantwortlich, nicht deinen alten Schulfreunden.« »Diesen Ausspruch wirst du noch bereuen, Tony«, sagte William
und stürmte aus dem Büro des Präsidenten. Wütend kehrte er in sein
Zimmer zurück.
»Wo ist Mr. Lester?« fragte William seine Sekretärin.
»Er ist noch nicht gekommen, Sir.«
Verärgert schaute William auf die Uhr.
»Sagen Sie ihm, ich möchte ihn sofort sprechen, wenn er kommt.«
»Ja, Sir.«
Fluchend ging William in seinem Büro auf und ab. Alles, was Tony
über Matthew gesagt hatte, war richtig, und das machte die Sache
noch schlimmer. Er versuchte zurückzudenken, wann alles begonnen
hatte, um eine Erklärung zu finden. Seine Gedanken wurden von der
Sekretärin unterbrochen.
»Mr. Lester ist soeben gekommen, Sir.«
Matthew sah ziemlich verlegen aus und zeigte alle Symptome eines schweren Katzenjammers. Er war alt geworden im letzten Jahr, und seine Haut hatte die gesunde sportliche Farbe verloren. William kannte den Mann kaum wieder, der beinahe zwanzig Jahre lang sein
bester Freund gewesen war.
»Wo, zum Teufel, warst du, Matthew?«
»Ich habe verschlafen«, erwiderte Matthew und kratzte sich an der
Wange. »Es war ziemlich spät gestern.«
»Du meinst, du hast zuviel getrunken.«
»Nein, ich hab gar nicht so viel getrunken. Eine neue Freundin hat
mich die ganze Nacht wachgehalten. Sie war absolut unersättlich.« »Wann wirst du endlich aufhören, Matthew? Du hast beinahe mit
jeder unverheirateten Frau in Boston geschlafen.«
»Übertreib nicht, William. Es müssen noch ein oder zwei übrig sein;
das hoffe ich wenigstens. Und vergiß nicht die Tausende, die
verheiratet sind.«
»Es ist nicht sehr komisch, Matthew.«
»Ach, William, hör auf, und gib mir eine Chance.«
»Eine Chance? Eben hat mir Tony Simmons deinetwegen Vorwürfe
gemacht, und leider hat er völlig recht. Du gehst mit allem, was einen
Rock hat, ins Bett, und was noch schlimmer ist, du trinkst dich zu
Tode. Dein Urteil ist wertlos geworden. Warum, Matthew? Sag mir,
warum. Es muß eine einfache Erklärung geben. Bis vor einem Jahr
warst du einer der verläßlichsten Burschen, die ich kannte. Was ist los,
Matthew? Was soll ich Tony Simmons sagen?«
»Sag Simmons, er soll zur Hölle fahren und sich um seine
Angelegenheiten kümmern.«
»Matthew, sei gerecht; es ist seine Angelegenheit. Wir leiten eine
Bank und kein Bordell, und du bist aufgrund meiner persönlichen
Empfehlung hier Direktor geworden.«
»Und jetzt entspreche ich nicht mehr deinen Anforderungen, willst
du das sagen?«
»Nein, das sage ich nicht.«
»Was, zum Teufel, sagst du dann?«
»Setz dich auf deinen Hintern und arbeite ein paar Wochen. Dann
wird in kürzester Zeit alles vergessen sein.«
»Ist das alles, was du verlangst?«
»Ja«, sagte William.
»Ich werde tun, was du befiehlst, o Herr«, sagte Matthew, schlug
die Hacken zusammen und ging.
»Verdammt«, murmelte William.
Am Nachmittag wollte William mit Matthew das Portfolio eines
Kunden besprechen, aber niemand konnte ihn finden. Er war nach
dem Lunch nicht mehr in die Bank gekommen und wurde nicht mehr
gesehen. Selbst die Freude, den kleinen Richard abends zu Bett zu
bringen, konnte William nicht von seinen Sorgen um Matthew
ablenken. Richard konnte bereits »zwei« sagen, und William
versuchte ihm »drei« beizubringen, aber Richard bestand darauf,
»Brei« zu sagen.
»Wie willst du jemals hoffen, ein Bankier zu werden, wenn du nicht
drei sagen kannst, Richard?« fragte William seinen Sohn, als Kate ins
Zimmer kam.
»Vielleicht wird er eines Tages etwas tun, das sich lohnt«, meinte
sie.
»Was kann lohnender sein als das Bankgeschäft?« wollte William
wissen.
»Nun, vielleicht wird er Musiker oder Baseballspieler oder sogar
Präsident der Vereinigten Staaten.«
»Unter den von dir genannten
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