Archer Jeffrey
nicht
unhübsches Mädchen zwinkerte William zu und kam mit
schwingenden Hüften an die Theke.
»Suchst du mich, Liebling? Ich habe Zeit, aber ich rechne zehn
Dollar für die halbe Stunde.«
»Nein, ich will dich nicht«, sagte William.
»Reizend«, meinte Jenny.
»Ich suche den Mann, der bei dir war, Matthew - ich meine Martin.« »Martin war so betrunken, daß nicht einmal ein Kran ihm zu einem
Ständer verholfen hätte. Aber er hat seine zehn Dollar bezahlt. Das tut
er immer. Ein echter Gentleman.«
»Wo ist er jetzt?« fragte William ungeduldig.
»Ich weiß nicht; er hat eingesehen, daß nichts zu machen war, und
ist nach Hause gegangen.«
William rannte auf die Straße hinaus. Die kalte Luft traf ihn fast wie
ein Schlag. Er entfernte sich langsam vom Klub und fuhr in die
Richtung von Matthews Wohnung. Er schaute jeden Fußgänger an, an
dem er vorbeikam; manche eilten weiter, wenn sie seinen prüfenden
Blick bemerkten, andere versuchten ein Gespräch zu beginnen. Als er
an einem Nachtcafé vorüberkam, erkannte er hinter der beschlagenen
Scheibe seinen Freund, der sich, ein Glas in der Hand, zwischen den
Tischen einen Weg bahnte. William parkte das Auto, ging hinein und
setzte sich neben Matthew. Dieser war an einem Tisch
zusammengesackt, auf dem eine unberührte, halb verschüttete Tasse
Kaffee stand, und war so betrunken, daß er William nicht erkannte. »Matthew, ich bin es«, sagte William und sah den zusammengesunkenen Mann an. Tränen liefen seine Wangen hinab.
Matthew schaute auf und verschüttete noch mehr Kaffee. »Warum
weinst du, mein Alter? Hast du dein Mädchen verloren?«
»Nein, meinen besten Freund«, sagte William.
»Ach, die sind viel rarer.«
»Ich weiß.«
»Ich habe einen guten Freund«, lallte Matthew. »Er hat immer zu mir gehalten, bis wir heute zum erstenmal gestritten haben. War aber
meine Schuld. Ich hab ihn ziemlich enttäuscht.«
»Nein, das stimmt nicht«, sagte William.
»Woher wollen Sie das wissen?« fragte Matthew ärgerlich. »Sie
sind es nicht einmal wert, ihn kennenzulernen.«
»Gehen wir nach Hause, Matthew.«
»Ich heiße Martin«, sagte Matthew.
»Entschuldige, gehen wir, Martin.«
»Nein, ich will hierbleiben. Will auf ein Mädchen warten, das
vielleicht später vorbeikommt. Ich glaube, jetzt bin ich für sie bereit.« »Ich habe einen guten alten Malzwhisky zu Hause«, sagte William,
»warum kommst du nicht mit mir?«
»Sind Frauen bei dir?«
»Ja, eine Menge.«
»Gut. Dann komm ich mit.«
William half Matthew auf, stützte ihn unter der Achsel und führte
ihn langsam durch das Café zum Ausgang. Zum erstenmal merkte er,
wie schwer Matthew war. Als sie an zwei Polizisten vorbeikamen, die
an einer Ecke der Theke saßen, hörte William den einen zum anderen
sagen: »Verdammte Schwule.«
William half Matthew ins Auto und nahm ihn mit nach Beacon Hill.
Kate hatte auf sie gewartet.
»Du hättest zu Bett gehen sollen, Liebling.«
»Ich konnte nicht schlafen.«
»Er ist leider praktisch nicht bei Sinnen.«
»Ist das das Mädchen, das du mir versprochen hast?« fragte
Matthew.
»Ja, sie wird sich um dich kümmern.«
William und Kate halfen ihm ins Gästezimmer hinauf und legten ihn
aufs Bett. Kate zog ihn aus.
»Du mußt dich auch ausziehen, Liebling«, sagte er. »Ich habe meine
zehn Dollar schon bezahlt.«
»Wenn du im Bett liegst«, sagte Kate leichthin.
»Warum schaust du so traurig aus, schöne Dame?« fragte Matthew. »Weil ich dich lieb habe«, sagte Kate, und in ihren Augen standen
Tränen.
»Wein nicht«, sagte Matthew. »Es gibt keinen Grund zu weinen.
Diesmal wird es mir gelingen, du wirst sehen.«
Als sie Matthew ausgezogen hatten, deckte ihn William zu, und
Kate löschte das Licht.
»Du hast versprochen, dich zu mir zu legen«, sagte Matthew
schläfrig.
Sie schloß leise die Tür.
Aus Angst, er könne aufwachen und versuchen, wegzugehen,
schlief William auf einem Stuhl vor Matthews Zimmer. Kate weckte
ihn, bevor sie Matthew ein Frühstück brachte.
»Was mache ich hier, Kate?« waren Matthews erste Worte. »Du bist gestern nach Andrew MacKenzies Party mit uns nach
Hause gekommen«, log Kate nicht sehr überzeugend.
»Nein, ich bin mit einem schrecklichen Mädchen ins ›In and Out‹
gegangen. Patricia irgendwer. Sie wollte nicht mit mir hinein. Mein
Gott, ist mir elend. Kann ich einen Tomatensaft haben? Ich will nicht
unfreundlich sein, aber im Augenblick kann ich kein Frühstück
sehen.«
»Natürlich, Matthew.«
William kam ins Zimmer. Matthew hob den Kopf.
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