Archer Jeffrey
die anderen ihn zuerst finden.«
»Und was ist mit dem Mann, dem Osborne das Dossier verkaufte.« »Ich habe ein paar verläßliche Leute in Chikago, die ich mit den
Nachforschungen betraut habe.«
»Gut«, sagte Abel. »Und jetzt wollen wir einmal die Namenliste
durchgehen, die Sie mir gestern abend daließen.«
Trafford Jilks las zuerst die Anklageschrift vor, und dann besprach
er mit Abel jeden einzelnen Punkt im Detail.
Nach drei Wochen fortwährender Unterredungen war Jilks endlich
überzeugt, von Abel nichts mehr erfahren zu können, und ließ ihn in
Ruhe. In diesen drei Wochen hatten weder Trafford Jilks noch die
Leute der Staatsanwaltschaft etwas über Osbornes Aufenthalt in
Erfahrung bringen können. Auch die Suche nach der Person, der
Henry seine Informationen verkauft hatte, erwies sich als erfolglos,
und Jilks Leute begannen sich zu fragen, ob Abel mit seiner Theorie
vielleicht doch recht habe.
Die Verhandlung rückte näher, und Abel machte sich darauf gefaßt,
tatsächlich eine Gefängnisstrafe absitzen zu müssen. Er war jetzt
fünfundfünfzig, und die Aussicht, seine letzten Lebensjahre ebenso
verbringen zu müssen wie einige seiner ersten, beschämte und
verstörte ihn. Nach Trafford Jilks Ansicht enthielt Osbornes Dossier
genug Material, um ihn für längere Zeit hinter Gitter zu bringen - falls
die Anklagen bewiesen werden konnten. Die Ungerechtigkeit - und in
Abels Augen war es eine Ungerechtigkeit empörte ihn. Die
Bestechungen, die Osborne in seinem Namen gemacht hatte, waren
zwar erheblich, aber keineswegs unüblich; Abel bezweifelte, daß irgendein neues Unternehmen ohne diese Art von Schmiergeldern, wie sie in Trafford Jilks Akten mit minuziöser Genauigkeit aufschienen, hochgekommen wäre. Mit Bitterkeit dachte er an das glatte, ungerührte Gesicht William Kanes, der während all dieser Jahre in seinem Bostoner Büro gesessen war - mit einem ererbten Vermögen im Hintergrund, dessen vermutlich ebenfalls nicht ganz lupenreiner Ursprung unter Generationen der Ehrbarkeit begraben war. Dann kam ein rührender Brief von Florentyna, die einige Fotos seines Enkels schickte und ihm versicherte, daß sie ihn liebe und achte
und an seine Unschuld glaube.
Drei Tage vor der Verhandlung wurde Osborne von der
Staatsanwaltschaft in New Orleans aufgegriffen. Man hätte ihn nie
gefunden, wäre er nicht mit zwei gebrochenen Beinen in einem
städtischen Krankenhaus gelandet. Ein eifriger Polizist stellte fest, daß
Henrys Verletzungen von einer Auseinandersetzung wegen
unbezahlter Wettschulden stammten. Der Polizist reimte sich die
Dinge zusammen, und nachdem man beide Beine eingegipst hatte,
wurde Henry Osborne mit Eastern Airlines nach New York geschafft. Am folgenden Tag wurde gegen Henry Osborne Anklage wegen
Mithilfe zum Betrug erhoben und eine Kaution abgelehnt. H. Trafford
Jilks ersuchte das Gericht um Erlaubnis, ihn befragen zu dürfen. Die
Befragung verlief jedoch ergebnislos für Jilks; offensichtlich hatte
Osborne bereits mit der Staatsanwaltschaft verhandelt und
versprochen, gegen Abel auszusagen, um selbst mildernde Umstände
zugebilligt zu bekommen.
»Ohne Zweifel werden die Anklagen gegen Mr. Osborne erstaunlich
substanzlos sein«, bemerkte der Anwalt trocken.
»So wird das also gespielt«, sagte Abel, »ich bin der Sündenbock,
und er geht frei. Und jetzt werden wir auch nicht feststellen, wem er
das Dossier verkaufte.«
»Nein, hier irren Sie sich, Mr. Rosnovski. Das war das einzige,
worüber er bereit war, zu sprechen«, sagte Jilks. »Er behauptet, es sei
nicht William Kane gewesen. Unter keinen Umständen hätte er die
Dokumente an Kane verkauft. Ein Mann namens Harry Smith aus
Chikago bezahlte Osborne in bar für das Beweismaterial, und ob Sie
es glauben oder nicht, Harry Smith war ein Deckname, denn es gibt
Dutzende Harry Smith in Chikago, und keiner von ihnen paßt auf die
Beschreibung.«
»Finden Sie ihn«, sagte Abel, »finden Sie ihn vor
Verhandlungsbeginn.«
»Wir sind bereits auf der Suche«, sagte Jilks, »und wenn der Mann
noch in Chikago ist, haben wir ihn binnen einer Woche. Osborne fügte
noch hinzu, dieser sogenannte Smith habe ihm versichert, die
Dokumente aus persönlichen Gründen haben zu wollen. Er habe nicht
die Absicht, den Inhalt an die Behörden weiterzugeben.«
»Warum wollte dieser ›Smith‹ dann alle Details?« fragte Abel. »Es wurde Erpressung angedeutet. Deshalb verschwand Osborne; er
wollte Ihnen nicht unter die Augen kommen. Wenn Sie sich das
überlegen,
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