Archer Jeffrey
passen?«
»Schlechte Nachrichten?« fragte Anne.
»Nicht wirklich. Aber ich möchte lieber nichts am Telefon erwähnen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Hast du vielleicht Zeit, mit mir zu Mittag zu essen?«
»Gern, Alan.«
»Dann treffen wir uns doch um ein Uhr im Ritz. Ich freue mich, dich zu sehen, Anne.«
Ein Uhr - in drei Stunden. Ihre Gedanken wanderten von Alan über William zu Henry und blieben bei Milly Preston hängen. Konnte es wahr sein? Arme beschloß, ein Bad zu nehmen und ein neues Kleid anzuziehen. Es half nicht viel; sie fühlte sich aufgedunsen und sah auch ein wenig so aus. Ihre Waden und Knöchel, bisher schlank und elegant, waren jetzt verfärbt und geschwollen. Die Vorstellung, wie sie sich bis zur Geburt des Kindes noch verändern würde, war nicht angenehm. Sie seufzte vor ihrem Spiegelbild und begann sich zu verschönern, so gut es ging.
»Du siehst sehr schick aus, Anne. Wäre ich kein alter Junggeselle, der über diese Dinge hinweg sein sollte, ich würde schamlos mit dir flirten«, sagte der silberhaarige Bankier und begrüßte sie mit einem Kuß auf die Wange.
Er führte Anne zu seinem Tisch. Es war Tradition, daß der Präsident von Kane and Cabot, wenn er nicht in der Bank speiste, immer an einem bestimmten Ecktisch saß; so hatte es Richard gehalten, und so hielt es Alan Lloyd. Anne saß zum erstenmal an diesem Tisch. Kellner schwirrten wie Schwalben umher und schienen genau zu wissen, wann sie zu erscheinen und wann sie zu verschwinden hatten, um ein privates Gespräch nicht zu stören.
»Wann soll das Baby kommen, Anne?«
»Ach, erst in drei Monaten.«
»Hoffentlich keine Komplikationen. Ich glaube mich zu erinnern…« »Ja«, gab Anne zu, »der Arzt kommt jede Woche und zieht ein
besorgtes Gesicht wegen meines Blutdrucks. Aber ich mache mir keine Sorgen.«
»Das freut mich, meine Liebe«, sagte er und berührte sanft wie ein Onkel ihre Hand. »Du siehst etwas müde aus; ich hoffe, du bist vorsichtig.«
Alan Lloyd hob ein wenig die Hand. Ein Kellner erschien, und sie bestellten.
»Anne, ich möchte deinen Rat.«
Anne wußte, daß Alan Lloyd ein ausgezeichneter Diplomat war; er aß nicht mit ihr zu Mittag, um ihren Rat zu hören, sondern um ihr einen Rat zu erteilen, darüber war sie sich im klaren.
»Hast du irgendeine Ahnung, wie sich Henrys Grundstückstransaktionen entwickeln?«
»Nein«, erwiderte Anne. »Ich kümmere mich nicht um Henrys Geschäfte. Du wirst dich erinnern, daß ich es bei Richard genauso gehalten habe. Warum? Gibt es Grund zur Besorgnis?«
»Nein, nein. Nichts, wovon wir in der Bank wüßten. Im Gegenteil, wir wissen, daß sich Henry um einen großen städtischen Auftrag für das neue Krankenhaus bemüht. Ich frage nur, weil er bei der Bank um einen Kredit über fünfhunderttausend Dollar angesucht hat.«
Anne war sprachlos.
»Ich sehe, daß du erstaunt bist«, sagte Alan. »Wir wissen, daß du auf deinem Aktiendepot eine Reserve von etwas weniger als zwanzigtausend Dollar hast, während dein Privatkonto um siebzehntausend Dollar überzogen ist.«
Entsetzt ließ Anne den Suppenlöffel fallen. Sie hatte nicht geahnt, daß sie um so viel überzogen hatte. Alan merkte ihre Panik.
»Das ist nicht der Anlaß unseres Mittagessens, Anne«, fügte er hinzu. »Die Bank ist gern bereit, auf deinem Privatkonto Geld zu verlieren, solange du lebst. Die Zinsen von Williams Fonds betragen über eine Million Dollar pro Jahr, also sind diese Summen nicht von großer Bedeutung, ebensowenig übrigens wie die fünfhunderttausend, die Henry haben möchte, wenn wir deine Zustimmung als Williams gesetzlicher Vormund erhalten.«
»Ich wußte nicht, daß ich irgendeine Verfügungsgewalt über Williams Vermögen habe«, sagte Anne.
»Nicht über das Stammkapital, aber die Zinsen aus dem Trust können in jedem Projekt angelegt werden, das William Gewinn verspricht. Du, ich und Milly Preston bestimmen darüber bis zu Williams Großjährigkeit. Milly teilte mir bereits mit, daß sie einverstanden sei. Damit hättet ihr zwei Stimmen, und meine Meinung wäre gleichgültig.«
»Milly Preston gab ihre Zustimmung, Alan?«
»Ja. Hat sie nicht mit dir darüber gesprochen?«
Anne antwortete nicht sofort. »Und was ist deine Meinung?« fragte sie schließlich.
»Nun, ich kenne Henrys finanzielle Lage nicht. Seine Firma ist erst achtzehn Monate alt, und wir sind nicht seine Bank. Daher weiß ich nicht, wie hoch seine Passiva im laufenden Jahr sind und mit welchen Gewinnen er für 1923
Weitere Kostenlose Bücher