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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kain und Abel
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hatte Nummer 85, eines der besseren kleineren Zimmer. Abel ging kurz vor vier Uhr zu ihm und war ein wenig enttäuscht, daß Melanie nicht mehr bei ihrem Vater war.
»Nett, daß Sie kommen, Abel. Setzen Sie sich.«
Es war das erstemal in mehr als vier Jahren, daß sich Abel im Plaza als Gast niedersetzte.
»Wieviel verdienen Sie?« fragte Mr. Leroy.
Abel war auf die abrupte Frage nicht gefaßt. »Mit Trinkgeldern verdiene ich pro Woche rund fünfundzwanzig Dollar.«
»Ich biete ihnen als Anfangsgehalt fünfunddreißig pro Woche.«
»Von welchem Hotel sprechen Sie?« fragte Abel.
»Wenn ich Sie richtig beurteile, Abel, waren Sie um halb vier mit Ihrem Dienst fertig und haben die nächste halbe Stunde damit verbracht, sich über meine Hotels zu informieren? Habe ich recht?«
Abel begann den Mann sympathisch zu finden. »Das Richmond Continental in Chikago?« fragte er zögernd. Davis Leroy lachte. »Ich hatte recht. Ich habe mich nicht getäuscht in Ihnen.«
Abel überlegte rasch. »Wieviel Hotelangestellte stehen über dem Direktor-Stellvertreter?«
»Nur der Direktor und ich. Der Direktor ist langsam, freundlich und tritt bald in den Ruhestand. Da ich mich um zehn andere Hotels kümmern muß, werden Sie es vermutlich nicht schlecht haben - obwohl ich gestehen muß, daß das Hotel in Chikago, mein erstes Hotel im Norden, mein Liebling ist. Da Melanie dort zur Schule geht, verbringe ich mehr Zeit in der Windy City, als ich sollte. Verfallen Sie nie in den Irrtum der meisten New Yorker, Chikago zu unterschätzen. Sie glauben, Chikago sei nur eine Briefmarke auf einem großen Kuvert, und sie selbst seien das Kuvert.«
Abel lächelte.
»Im Moment ist das Hotel nicht gut geführt«, fuhr Mr. Leroy fort. »Der letzte Direktor-Stellvertreter kündigte ohne nähere Erklärung, daher brauche ich einen guten Mann, der etwas aus dem Hotel herausholt. Hören Sie zu, Abel, ich habe Sie die letzten fünf Tage genau beobachtet, und ich glaube, Sie sind der richtige Mann dafür. Wären Sie interessiert, nach Chikago zu gehen?«
»Vierzig Dollar und zehn Prozent vom vermehrten Gewinn, dann übernehme ich den Job.«
»Was?« fragte Davis Leroy fassungslos. »Keiner meiner Direktoren ist am Gewinn beteiligt. Die anderen wären empört, wenn sie davon erführen.«
»Wenn Sie es ihnen nicht sagen - ich sage es ihnen bestimmt nicht«, erklärte Abel.
»Jetzt weiß ich, daß ich den richtigen Mann gewählt habe, auch wenn er härter verhandelt als ein Yankee mit sechs Töchtern.«
Er klopfte auf die Stuhllehne. »Ich bin einverstanden, Abel.«
»Brauchen Sie Referenzen, Mr. Leroy?«
»Referenzen? Ich kenne Ihre Geschichte von Ihrer Ankunft in Amerika bis zu Ihrer Abschlußprüfung in Wirtschaftswissenschaften. Was, glauben Sie, habe ich die letzten fünf Tage gemacht? Jemanden, von dem ich Referenzen brauche, würde ich nie als zweiten Mann in mein bestes Hotel nehmen. Wann können Sie anfangen?«
»Heute in einem Monat.«
»Gut. Ich freue mich, Sie dann zu sehen.«
Abel erhob sich, stehend fühlte er sich wohler. Er schüttelte Mr. Leroy die Hand - dem Mann von Tisch 17, der nur an Unbekannte vergeben wird.
    New York und das Plaza Hotel zu verlassen, sein erstes richtiges Heim seit dem Schloß in Slonim, war schwieriger, als Abel gedacht hatte. George, Monika und seinen wenigen Freunden von der Universität Lebewohl zu sagen, fiel ihm unerwartet schwer. Sammy und die Kellner gaben ihm eine Abschiedsparty.
    »Abel Rosnovski, von dir werden wir bestimmt noch hören«, sagte Sammy, und alle stimmten ihm zu.
    Das Richmond Continental lag in der Michigan Avenue im Herzen von Chikago, der am schnellsten wachsenden Stadt Amerikas. Das gefiel Abel, der sich Ellsworth Statlers Grundsatz eingeprägt hatte: Bei einem Hotel sind nur drei Dinge wirklich wichtig: die Lage, die Lage, die Lage. Abel stellte allerdings rasch fest, daß eine gute Lage ungefähr das einzige war, das für das Richmond sprach. Davis Leroy hatte mit seiner Bemerkung, das Hotel sei schlecht geführt, nicht übertrieben. Desmond Pacey, der Direktor, war nicht sanft und langsam, wie Leroy ihn beschrieben hatte; er war einfach faul, und er wurde Abel nicht sympathischer, als er ihm ein winziges Zimmer im Personalgebäude auf der anderen Straßenseite zuwies. Eine kurze Buchprüfung ergab, daß durchschnittlich weniger als vierzig Prozent der Hotelzimmer belegt waren und daß das Restaurant für gewöhnlich halb leer war, nicht zuletzt wegen der schlechten Küche. Das Personal

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