Archer Jeffrey
Hügel in ein paar Sekunden hinabzusausen und dabei Leib und Leben zu riskieren?«
»Ich finde es wesentlich lustiger als Statistik«, brummte Matthew. »Warum gibst du nicht zu, daß du weder sehr gut hinauf noch hinunterkommst?«
Im zweiten Jahr arbeiteten beide genug, um durchzukommen, obwohl ihre Auffassungen von Durchkommen sich grundlegend unterschieden. In den ersten drei Monaten der Sommerferien arbeiteten sie als Hilfskräfte in der Direktion von Charles Lesters Bank in New York; Matthews Vater hatte den Versuch, William fernzuhalten, schon längst aufgegeben. Während der Hundstage im August gondelten sie in Williams Daisy in New England herum, fuhren mit möglichst vielen Mädchen den Charles River hinunter und gingen zu jeder Party, zu der sie eine Einladung ergattern konnten. Binnen kurzem gehörten sie zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Universität, den Eingeweihten als der »Scholar« und der »Schwitzer« bekannt. In der Gesellschaft von Boston wußte jeder, daß das Mädchen, das einmal William Kane oder Matthew Lester heiratete, nicht um ihre Zukunft bangen mußte. Aber sobald eine hoffnungsvolle Mutter mit ihrem hübschen Töchterlein aufkreuzte, wurde sie von Großmutter Kane und Großmutter Cabot ohne viel Federlesens verjagt.
Am 18. April 1927 feierte William seinen 21. Geburtstag damit, der letzten Zusammenkunft der Treuhänder seines Vermögens beizuwohnen. Alan Lloyd und Tony Simmons hatten alle Dokumente zur Unterschrift vorbereitet.
»William, mein Lieber«, sagte Milly Preston, als falle eine Last von ihren Schultern, »ich bin überzeugt, daß du dein Vermögen ebenso gut verwalten wirst wie wir.«
»Das hoffe ich, Mrs. Preston, aber wann immer ich über Nacht eine halbe Million verlieren will, weiß ich, an wen ich mich wenden muß.«
Milly Preston wurde dunkelrot, sah aber davon ab, zu antworten. Sein Vermögen betrug jetzt über achtundzwanzig Millionen Dollar, und William hatte damit sehr bestimmte Pläne. Er hatte sich aber auch in den Kopf gesetzt, während seines Studiums in Harvard eine weitere Million zu verdienen. Verglichen mit seinem Vermögen war das keine große Summe, doch das geerbte Geld bedeutete ihm wesentlich weniger als sein Kontostand bei Lester’s.
Aus Angst vor einem neuen Ansturm heiratsfähiger Mädchen schickten die Großmütter William und Matthew im folgenden Sommer auf eine große Europareise, die sich für beide erfolgreich gestaltete. Matthew überwand alle linguistischen Schranken und fand in jeder Hauptstadt ein schönes Mädchen - Liebe, so versicherte er William, sei eine internationale Ware. William verschaffte sich Zutritt zu den Direktoren der meisten europäischen Großbanken - Geld, so versicherte er Matthew, sei auch eine internationale Ware. Von London über Berlin bis Rom hinterließen die beiden jungen Männer eine regelrechte Fährte gebrochener Herzen und beeindruckter Bankiers. Als sie im September nach Harvard zurückkehrten, waren sie bereit, sich ein letztes Jahr hinter ihre Bücher zu setzen.
Großmutter Kane starb fünfundachtzigjährig während des eisigen Winters 1927, und William weinte zum erstenmal seit dem Tod seiner Mutter. »Nimm dich zusammen«, sagte Matthew, nachdem er Williams Niedergeschlagenheit drei Tage lang ertragen hatte. »Sie hat ihr Leben genossen und lange gewartet, bis sie feststellen konnte, ob Gott ein Cabot oder ein Lowell ist.«
William vermißte die klugen Bemerkungen, die er zu Lebzeiten der Großmutter so wenig geschätzt hatte, und er arrangierte ein Begräbnis, auf das sie stolz gewesen wäre. Die große Dame traf in einem schwarzen Packard auf dem Friedhof ein (»eines dieser neumodischen Dinger - nur über meine Leiche«, aber, wie sich nun herausstellte, darunter), doch dieser anfechtbare Transport wäre ihre einzige Kritik an Williams Arrangement ihres Abgangs gewesen. Ihr Tod spornte William an, während seines letzten Jahres in Harvard noch verbissener zu arbeiten; er wollte zu ihrem Andenken den höchsten Preis in Mathematik gewinnen. Großmutter Cabot starb sechs Monate später, vermutlich, sagte William, weil sie niemanden mehr hatte, mit dem sie sich unterhalten konnte.
Im Februar 1928 erhielt William den Besuch des Leiters des Diskussionsklubs. Man wolle im März eine große Debatte über »Amerikas Zukunft: Kapitalismus oder Sozialismus« abhalten; natürlich wurde William aufgefordert, den Kapitalismus zu vertreten.
»Und wenn ich jetzt erkläre, ich sei nur bereit, im Namen
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