Archer Jeffrey
wirkte. Soweit Mark es beurteilen konnte, trug sie kein Make-up; die zarte Haut und die dunklen Augen bedurften auch keiner Korrektur. Vielleicht würde sich dieser Ausflug doch lohnen. Barry dagegen zeigte nicht das geringste Interesse an der hübschen Ärztin und verlangte Casefikis’ Krankengeschichte. Fieberhaft suchte Mark nach einer Einleitung.
»Sind Sie mit Senator Dexter verwandt?« fragte er, das Wort Senator ein wenig betonend.
»Ja, er ist mein Vater«, sagte sie gleichgültig. Offenbar war sie die Frage gewohnt, und sowohl die Frage als auch der Fragesteller – der dieser Frage offensichtlich Bedeutung beimaß – schienen sie zu langweilen.
»Ich hörte seine Vorlesungen während meines letzten Semesters in Yale«, sagte Mark. Ihm war klar, daß er zu dick auftrug, aber Calvert würde jeden Moment mit dieser blöden Krankengeschichte fertig sein.
»Ach, Sie waren auch in Yale? Wann wurden Sie fertig?« »Vor drei Jahren mit Jura«, erwiderte Mark.
»Dann hätten wir einander schon früher begegnen können. Ich bin letztes Jahr mit Medizin fertig geworden.«
»Hätte ich Sie schon früher kennengelernt, hätte ich Sie doch nicht vergessen, Dr. Dexter.«
»Wenn ihr beiden Absolventen unserer Nobeluniversität damit fertig seid, euch eure Lebensgeschichte zu erzä hlen«, unterbrach Barry Calvert, »dann möchte ein einfacher Mann aus dem Mittelwesten gern seinen Auftrag erledigen.«
Ja, dachte Mark, Barry verdient es, eines Tages Direktor zu werden.
»Was können Sie uns über den Mann erzählen, Dr. Dexter?« fragte Calvert.
»Leider sehr wenig«, erwiderte die Ärztin und nahm die Krankengeschichte wieder an sich. »Er kam mit einer Schußwunde zu uns, aus freien Stücken. Die Wunde war infiziert und schien etwa eine Woche alt. Ich wollte, der Mann wäre früher gekommen. Heute morgen entfernte ich die Kugel. Wie Sie wissen, Mr. Calvert, ist es unsere Pflicht, sofort die Polizei zu benachrichtigen, wenn ein Patient mit einer Schußwunde zu uns kommt, deshalb haben wir eure Jungs von der Stadtpolizei angerufen.«
»Nicht unsere Jungs«, verbesserte Mark.
»Entschuldigen Sie«, erwiderte Dr. Dexter eher steif, »für einen Arzt ist ein Polizist ein Polizist.«
»Und für einen Polizisten ist ein Arzt ein Arzt, obwohl auch Sie Spezialisten haben – Gynäkologen, Neurologen, Orthopäden – nicht wahr? Sie wollen doch nicht behaupten, daß ich aussehe wie einer jener Plattfüße von der Stadtpolizei?«
Dr. Dexter war nicht zu einer schmeichelhaften Antwort zu bewegen. »Als die Polizei kam, teilte sie uns mit, daß in ein paar Stunden jemand vom FBI erscheinen würde.« Sie öffnete die Mappe. »Wir wissen nur, daß der Mann Grieche ist und Angelo Casefikis heißt. Er war niemals vorher in diesem Krankenhaus, und er scheint nicht in unserer Kartei auf. Sein Alter gab er mit achtunddreißig an. Das ist leider alles, was ich Ihnen sagen kann.«
»Gut. Wir sind gewöhnt, nicht mehr zu erfahren. Danke, Dr. Dexter«, sagte Calvert. »Könnten wir den Mann jetzt besuchen?«
»Natürlich, kommen Sie mit.« Elizabeth Dexter wandte sich um und führte sie durch den Korridor.
Die beiden Männer folgten ihr; Barry hielt nach der Tür Nummer 4308 Ausschau. Mark blickte auf ihre Beine. Als sie ankamen, sahen sie durch ein kleines Fenster zwei Männer im Zimmer, Angelo Casefikis und einen fröhlich dreinschauenden Schwarzen, der auf einen Fernsehapparat starrte, dessen Ton abgeschaltet war. Calvert wandte sich an Dr. Dexter.
»Können wir allein mit ihm sprechen, Dr. Dexter?«
»Warum?« fragte sie.
»Wir wissen nicht, was er uns sagen will; vielleicht möchte er keine Zuhörer.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, lachte Dr. Dexter, »mein liebster Briefträger, Benjamin Reynolds im nächsten Bett, ist stocktaub, und bevor wir ihn nächste Woche operieren, kann er nicht einmal die Posaunen des Jüngsten Gerichts hören, geschweige denn ein Staatsgeheimnis.«
Zum erstenmal lächelte Calvert. »Er würde einen tollen Zeugen abgeben.«
Die Ärztin führte Calvert und Andrew ins Zimmer, drehte sich um und verließ die beiden. Werde dich bald wiedersehen, hübsches Mädchen, versprach sich Mark. Calvert schaute Reynolds mißtrauisch an, aber der Postbote lachte nur freundlich, winkte und verfolgte weiter sein stummes Fernsehprogramm. Barry Calvert verstellte ihm trotzdem die Sicht, für den Fall, daß er von den Lippen lesen konnte. Barry dachte eben an alles.
»Mr. Casefikis.«
»Ja.«
Casefikis war ein grau und krank
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