Archer Jeffrey
kein Zweifel, daß Tyson bei seinem letzten Spiel für Harvard das entscheidende Tor gegen Yale geschossen hatte. Das war ebenso nachzulesen, wie die Tatsache, daß er 1956 in Melbourne der einzige Weiße in der amerikanischen Olympia-Boxstaffel gewesen war. Ob er tatsächlich zu Präsident Nixon gesagt hatte, lieber dem Teufel dienen zu wollen, als unter ihm das FBI zu leiten, konnte niemand mit Sicherheit wissen, aber es war eine Geschichte, die den Kane-Anhängern gefiel. Tysons Frau war vor fünf Jahren an multipler Sklerose gestorben. Er hatte sie zwanzig Jahre lang mit Hingabe gepflegt.
Der Direktor fürchtete niemanden, und sein Ruf als absolut ehrlicher und integrer Mann erhob ihn in den Augen der Nation weit über die meisten anderen Staatsbeamten. Nach E. Hoovers Tod war eine Periode des Unbehagens gefolgt, doch dann verschafften Kelley und Halt Tyson dem FBI wieder jenes Prestige, dessen es sich in den dreißiger und vierziger Jahren erfreut hatte. Tyson war einer der Gründe, warum Mark gern fünf Jahre seines Lebens dem FBI widmete.
Mark spielte mit dem mittleren Rockknopf, eine Gewohnheit aller Agenten. Während des fünfzehnwöchigen Kursus in Quantico hatte man ihnen eingebleut, die Rockknöpfe immer offenzulassen, um rasch zur Pistole an der Hüfte greifen zu können. Kein Agent trug sie in einem Schulterhalfter, und es ärgerte Mark, daß das in Fernsehfilmen über das FBI immer falsch gezeigt wurde. Wann immer ein FBI-Mann Gefahr witterte, spielte er mit dem mittleren Knopf, um sich zu vergewissern, daß die Jacke offenstand. Mark verspürte Angst, Angst vor dem Unbekannten. Angst vor H. A. L. Tyson, Angst, die eine leicht zu ziehende Smith & Wesson nicht beschwichtigen konnte. Der anonyme junge Mann mit dem wachsamen Blick und dem blauen Blazer kam zurück.
»Der Direktor wird Sie jetzt empfangen.«
Mark stand unsicher auf, straffte sich, rieb die feuchten Handflächen an der Hose ab und folgte dem namenlosen Beamten durch das Vorzimmer in das Allerheiligste. Der Direktor blickte auf, deutete ihm, sich zu setzen und wartete, bis der Beamte das Zi mmer verlassen und die Tür geschlossen hatte. Auch im Sitzen wirkte der Direktor bullig mit dem großen Kopf, der auf massiven Schultern saß. Die buschigen Augenbrauen paßten zu dem drahtigen braunen Haar; es war sehr stark gelockt, und bei einem anderen als Tyson hätte man an eine Perücke gedacht. Seine großen Hände lagen auf dem Queen-AnneSchreibtisch, als versuchte das zierliche Möbelstück zu entkommen. Die Wangen des Direktors waren gerötet, doch nicht vom Alkohol, sondern von Sonne und Wind. Dicht hinter Mark saß ein anderer Mann, durchtrainiert, glattrasiert und schweigend; der Inbegriff eines Polizisten.
Der Direktor sagte: »Andrews, das ist stellvertretender Direktor Matthew Rogers. Ich habe ihn über die Ereignisse nach Casefikis Tod informiert; wir werden Ihnen ein paar Leute für die Untersuchung zur Verfügung stellen.« Die grauen Augen des Direktors durchdrangen Mark. »Gestern verlor ich zwei meiner besten Männer, Andrews, und nichts, ich wiederhole, nichts wird mich davon abhalten, herauszufinden, wer dafür verantwortlich ist, sogar wenn es die Präsidentin selber ist. Verstehen Sie mich?«
»Ja, Sir«, sagte Mark ruhig.
»Sie werden aus unseren Pressemitteilungen ersehen haben, daß die Öffentlichkeit den gestrigen Vorfall für einen gewöhnlichen Verkehrsunfall hält. Kein Journalist hat die zwei Morde im Woodrow-Wilson-Hospital mit dem Tod meiner Agenten in Verbindung gebracht. Warum sollten sie auch, wenn in den USA alle sechsundzwanzig Minuten ein Mord geschieht?«
Ein Stadtpolizei-Dossier mit der Aufschrift »Leiter der Stadtpolizei« lag vor Tyson. Auch diese Leute wurden also überwacht.
»Wir, Mr. Andrews …«
Die Worte gaben Mark ein vages Hochgefühl.
»… wir werden sie in dem Glauben lassen. Ich habe mir das, was Sie mir gestern erzählten, sorgfältig überlegt. Lassen Sie mich die Situation zusammenfassen, wie ich sie sehe, und unterbrechen Sie mich, wann immer Sie wollen.«
Unter normalen Umständen hätte Mark gelacht. Der Direktor blickte in seine Unterlagen.
»Der Grieche wollte also den Leiter des FBI sprechen«, fuhr er fort. »Vielleicht hätte ich seine Bitte erfüllt, hätte ich davon gewußt.« Er blickte auf. »Die Tatsachen: Casefikis gab Ihnen im Hospital einen mündlichen Bericht; der Kern der Aussage war, daß Casefikis dachte, es gäbe ein Komplott, die Präsidentin der Vereinigten Staaten am
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