Archer Jeffrey
ungeteilter Aufmerksamkeit. »In der Mitte von Bauplatz steht größter Kran der Welt. Nummer 11310, extra konstruiert, um neue Teile des Kapitols an ihren Platz zu hieven. Voll ausgefahren, ist er hundert Meter hoch, beinahe doppelte Höhe von dem, was Vorschriften in Washington erlauben. Niemand vermutet uns auf der Westseite, und niemand glaubt, daß wir so weit sehen können. Oben auf dem Kran ist eine kleine gedeckte Plattform für Wartung der Flaschenzüge. Wird nur benützt, wenn sie herunten und parallel zum Boden ist, aber Plattform ist wie kleine Schachtel. Sie ist über einen Meter lang, sechzig Zentimeter breit und vierzig Zentimeter hoch; ich habe dort letzte drei Nächte geschlafen. Ich kann alles sehen, niemand kann mich sehen, nicht einmal Helikopter vom Weißen Haus.«
Verblüfftes Schweigen.
»Wie kommen Sie dort hinauf?« fragte der Senator.
»Wie Katze, Senator. Ich klettere. Ein Vorteil, so klein zu sein. Ich gehe kurz nach Mitternacht hinauf und komme um fünf Uhr herunter. Ich überschaue ganz Washington, und niemand kann mich sehen.«
»Können Sie von solch einer kleinen Plattform die Treppe des Kapitels genau sehen?« fragte der Vorsitzende.
»Vielleicht braucht es vier Sekunden«, sagte Xan. »Aussicht erlaubt mir, Weißes Haus zu sehen, wie es noch niemand gesehen hat. Letzte Woche hätte ich Kane zweimal töten können. Bei offiziellem Besuch wird es leicht sein. Ich kann sie nicht verfehlen.«
»Und wie steht es Donnerstag mit den Arbeitern? Vielleicht wollen sie den Kran benutzen«, unterbrach der Senator.
Jetzt lächelte der Vorsitzende. »Nächsten Donnerstag wird gestreikt, mein Freund. Irgend etwas wegen schlechter Überstundenbezahlung. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, wird nicht gearbeitet, während Kane das Kapitol besucht. Eines ist sicher: Wenn sich außer einem ältlichen Wächter niemand auf der Baustelle aufhält, wird es niemandem in den Sinn kommen, auf die Spitze des Krans und die kleine Plattform zu klettern. Vom Boden sieht es so aus, als ob sich keine Maus dort verstecken könnte. Xan fliegt morgen nach Wien und wird am nächsten Mittwoch, bei unserer letzten Zusammenkunft, über die Ereignisse seiner Reise berichten. Haben Sie übrigens Ihre Dose mit gelber Farbe aufgetrieben, Xan?«
»Ja, ich stahl eine von der Baustelle.«
Der Vorsitzende blickte die Anwesenden an – Schweigen. »Gut, wir scheinen gut vorbereitet zu sein. Danke, Xan.«
»Mir gefällt die Sache nicht«, murmelte Matson. »Etwas ist faul. Es ist alles zu einfach, zu glatt.«
»Das FBI hat Sie gelehrt, übervorsichtig zu sein, Matson. Sie werden sehen, daß wir besser vorbereitet sind als die anderen, weil wir wissen, was wir tun wollen, und sie nicht. Keine Angst, Sie werden Gelegenheit haben, Kanes Begräbnis beizuwohnen.«
Matson bewegte das große Kinn auf und nieder. »Sie sind derjenige, der sie tot sehen will«, sagte er mißmutig.
»Und Sie werden dafür bezahlt«, erwiderte der Vorsitzende. »Gut, in fünf Tagen treffen wir uns wieder, um die letzten Einzelheiten zu besprechen. Sie werden erfahren, wo Sie Mittwoch morgen hinkommen sollen«, fuhr er fort. »Xan wird dann längst aus Österreich zurück sein.«
Der Vorsitzende lächelte und zündete sich eine neue Zigarette an. Der Senator ging. Fünf Minuten später verließ Matson den Raum. Nach weiteren fünf Minuten ging auch Xan. Abermals fünf Minuten später bestellte der Vorsitzende den Lunch.
6
Freitag, 4. März 16 Uhr
Mark war zu hungrig, als daß er noch etwas Ordentliches hätte leisten können, und verließ die Bibliothek auf der Suche nach etwas Eßbarem. Als der Fahrstuhl stehenblieb, gaben die sich öffnenden Türen den Blick auf den Schlagwortkatalog frei; ›Garrison bis Gesundheit‹ las Mark. Eine Assoziationskette löste in seinem Gedächtnis die angenehme Vision des schönen klugen Mädchens aus, das er tags zuvor kennengelernt hatte. Sie ging in ihrem schwarzen Rock und der roten Bluse den Korridor entlang, und ihre Absätze klapperten auf den Fliesen. Auf Marks Gesicht breitet sich ein warmes Lächeln aus. Erstaunlich, wieviel Freude ihm allein das Wissen bereitete, daß er sie anrufen und wiedersehen konnte; erschreckend, festzustellen, wie sehr er sich danach sehnte.
Er fand das Büffet, schlang einen Hamburger hinunter und rief sich ins Gedächtnis zurück, was sie gesagt und wie sie dabei ausgesehen hatte. Dann rief er im Woodrow Wilson-Hospital an.
»Es tut mir leid, Dr. Dexter hat heute keinen
Weitere Kostenlose Bücher