Archer Jeffrey
Anzeichen eines Unwetters entdeckte er, als er Meg vom Empfang begrüßte.
»Alle Anwälte treffen sich um 8 Uhr 30 im Konferenzsaal«, teilte sie ihm mit ausdrucksloser Stimme mit.
»Wissen Sie, worum es geht?«, fragte Fletcher und realisierte im selben Augenblick, wie dumm diese Frage war. Vertraulichkeit war das Gütesiegel der Kanzlei.
Mehrere Partner saßen bereits auf ihren Plätzen und unterhielten sich mit gedämpfter Stimme, als Fletcher um 8 Uhr 20 den Konferenzsaal betrat und sich direkt hinter Matts Stuhl setzte. Konnte die Abwertung des französischen Franc in Paris sich auf eine New Yorker Kanzlei auswirken? Er bezweifelte es. Wollte der Seniorpartner über den Deal mit Higgs & Dunlop sprechen? Nein, das war nicht der Stil von Alexander. Fletcher sah sich im Konferenzsaal um. Falls einer der Anwälte wusste, worum es ging, zeigte er es nicht. Aber es mussten schlechte Nachrichten sein, denn gute Nachrichten wurden stets bei der Abendbesprechung um 18 Uhr verkündet.
Um 8 Uhr 24 trat der Seniorpartner ein.
»Ich entschuldige mich, dass ich Sie von Ihren Schreibtischen fern halte«, fing er an, »aber diese Sache lässt sich meiner Ansicht nach nicht in einem internen Memo oder irgendwo im Monatsbericht bekannt geben.« Er räusperte sich. »Die Stärke dieser Kanzlei bestand stets darin, dass sie niemals in persönliche oder finanzielle Skandale verwickelt war. Darum bin ich der Meinung, dass schon die bloße Andeutung eines solchen Problems prompt in Angriff genommen werden sollte.« Fletcher staunte immer mehr. »Mir wurde zugetragen, dass ein Mitglied dieser Kanzlei in einer Bar gesehen wurde, in der Anwälte rivalisierender Kanzleien verkehren.« Das tue ich jeden Tag, dachte Fletcher, das ist ja wohl kaum ein Verbrechen. »Und obwohl das an sich noch nicht verwerflich ist, kann es doch zu anderen Entwicklungen führen, die für Alexander Dupont & Bell nicht akzeptabel sind. Glücklicherweise hatte einer aus unseren Reihen das Interesse der Kanzlei im Sinn und sah es als seine Pflicht an, mich über das zu informieren, was durchaus zu einer peinlichen Situation hätte führen können. Der Angestellte, auf den ich Bezug nehme, wurde gesehen, wie er in einer Bar mit einem Angehörigen einer konkurrierenden Kanzlei sprach. Gegen 22 Uhr verließ er die Bar mit dieser Person, nahm ein Taxi zu deren Wohnung auf der West Side und tauchte erst gegen 6 Uhr 30 am folgenden Morgen wieder auf, als er in seine eigene Wohnung fuhr. Ich habe den betreffenden Angestellten sofort damit konfrontiert und er machte keinen Versuch, seine Beziehung zu dem Angehörigen der konkurrierenden Kanzlei zu leugnen. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass er einsah, wie vernünftig es ist, wenn er sofort die Kündigung einreicht.«
Alexander schwieg kurz. »Ich danke dem Mitglied unserer Belegschaft, das sich zu seiner Pflicht durchgerungen hat, mir diesen Vorfall zu melden.«
Fletcher sah zu Ralph Elliot hinüber, der versuchte, bei jedem neuen Satz Überraschung zu heucheln, aber offenbar hatte ihm noch nie jemand gesagt, dass man es mit dem Schauspielern auch übertreiben konnte. In diesem Moment erinnerte sich Fletcher daran, wie er Elliot auf der Fifth Avenue nach seinem abendlichen Drink gesehen hatte. Ihm wurde übel, als ihm dämmerte, dass der Seniorpartner von Logan sprach.
»Darf ich Sie alle daran erinnern, dass über diese Sache weder öffentlich noch privat geredet werden darf«, betonte Bill Alexander. Er erhob sich und verließ ohne ein weiteres Wort den Konferenzsaal.
Fletcher hielt es für diplomatischer, den Saal als einer der Letzten zu verlassen. Als sich keine Partner mehr im Raum befanden, stand er auf und ging langsam auf die Tür zu. Auf dem Weg zu seinem Büro hörte er Schritte hinter sich, aber er drehte sich erst um, als Elliot ihn eingeholt hatte. »Sie waren doch mit Logan zusammen in der Bar, nicht wahr?« Er schwieg kurz. »Davon habe ich meinem Onkel nichts erzählt.« Fletcher sagte nichts, als Elliot sich entfernte, doch sobald er an seinem Schreibtisch saß, schrieb er den genauen Wortlaut auf, mit dem Elliot ihn bedroht hatte.
Der einzige Fehler, den er machte, war der, dass er Bill Alexander nicht umgehend davon informierte.
*
Eines der vielen Dinge, die Nat an Su Ling bewunderte, war die Tatsache, dass sie niemals zu ihm sagte »Das habe ich dir doch gleich gesagt«, obwohl sie nach all ihren Warnungen jedes Recht dazu gehabt hätte.
»Was passiert jetzt?«, wollte sie wissen und
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