Archer Jeffrey
wiedersehen würde. Er dachte an die Worte seiner Mutter und musste ihr Recht geben. Die Vorstellung eines verschwendeten Jahres, in dem er Anträge bearbeitete, salutierte und sich salutieren ließ, und dann irgendwann jemand anderen in seine Arbeit einwies, machte ihn wütend. Die hohen Offiziere hatten durchblicken lassen, dass sie ihn nicht wieder nach Vietnam zurückkehren lassen würden, um nicht zu riskieren, dass das Leben eines der wenigen anerkannten Helden Amerikas in Gefahr geriet.
An diesem Abend wiederholte sein Vater beim Essen mehrmals die Unterhaltung, die er mit dem Präsidenten geführt hatte. Anschließend bat er Nat, ihm mehr über Nam zu erzählen.
Über eine Stunde lang beschrieb Nat die Stadt Saigon, die Landschaft und die Menschen, bezog sich nur selten auf seine Arbeit als Versorgungsoffizier. »Die Vietnamesen arbeiten schwer und sind freundlich«, berichtete er seinen Eltern, »und es scheint sie wirklich zu freuen, dass wir da sind, aber auf keiner der beiden Seiten gibt es jemanden, der glaubt, dass wir für immer bleiben können. Ich fürchte, die Geschichte wird diese ganze Episode als sinnlos einstufen und sobald sie vorüber ist, wird sie schnell aus dem nationalen Gedächtnis gestrichen.« Er wandte sich an seinen Vater. »Wenigstens hatte dein Krieg einen Sinn.« Seine Mutter nickte zustimmend und Nat war überrascht, dass sein Vater nicht sofort Widerspruch einlegte.
»Hat sich dir irgendeine Erinnerung dauerhaft eingebrannt?«, erkundigte sich seine Mutter und hoffte, ihr Sohn würde über seine Erfahrungen an der Front reden.
»Ja, allerdings. Die Ungleichbehandlung der Menschen.« »Aber wir tun alles, was wir können, um den Bewohnern von Südvietnam zu helfen«, sagte sein Vater.
»Ich spreche nicht von den Vietnamesen, Vater«, erwiderte Nat.
»Ich spreche von denen, die Kennedy als ›meine amerikanischen Mitbürger‹ bezeichnete.«
»Amerikanische Mitbürger?«, wiederholte seine Mutter.
»Ja, mir hat sich dauerhaft ins Gedächtnis eingebrannt, wie wir die armen Minderheiten behandeln, insbesondere die Schwarzen. Sie sind in großer Zahl auf dem Schlachtfeld, aus keinem anderen Grund, als dass sie sich keinen cleveren Anwalt leisten können, der ihnen zeigt, wie sie eine Freistellung erwirken können.«
»Aber dein bester Freund …«
»Ich weiß«, sagte Nat. »Und ich bin froh, dass Tom sich nicht gemeldet hat, denn er hätte dasselbe Schicksal wie Dick Tyler erleiden können.«
»Dann bedauerst du also deine Entscheidung?«, fragte seine Mutter leise.
Nat nahm sich Zeit, bevor er darauf antwortete. »Nein, aber ich muss oft an Speck Foreman, seine Frau und seine drei Kinder in Alabama denken und ich frage mich, welchen Sinn sein Tod hatte.«
*
Am nächsten Tag stand Nat früh auf, um den ersten Zug nach Fort Benning zu erreichen. Als die Lok im Columbus-Bahnhof einfuhr, sah er auf seine Uhr. Noch eine Stunde bis zu seinem Termin beim Colonel. Er beschloss, die zwei Meilen zur Akademie zu Fuß zu gehen. Unterwegs wurde er ständig daran erinnert, dass er sich in einer Garnisonsstadt befand. Ständig musste er den Gruß von allen erwidern, die rangniedriger als ein Captain waren. Einige lächelten ihn sogar an, als sie die Tapferkeitsmedaille entdeckten, wie sie es bei einem Footballhelden vom College getan hätten.
Ganze fünfzehn Minuten vor dem Termin stand er schon vor
Colonel Tremletts Büro.
»Guten Morgen, Captain Cartwright. Der Colonel hat mich
gebeten, Sie direkt zu ihm zu führen, wenn Sie eintreffen«, hieß
ihn ein blutjunger Adjutant willkommen.
Nat marschierte in das Büro des Colonels, nahm Haltung an
und salutierte. Tremlett kam hinter seinem Schreibtisch hervor
und umarmte Nat. Der Adjutant konnte seine Überraschung
nicht verbergen, denn er hatte geglaubt, nur die Franzosen
würden ihre Kameraden auf diese Weise begrüßen. Der Colonel wies Nat einen Stuhl vor seinem Schreibtisch an und kehrte zu seinem Platz zurück. Er schlug eine dicke Akte auf und stöberte in deren Inhalt. »Haben Sie eine Vorstellung davon, was Sie im nächsten Jahr tun wollen, Nat?«
»Nein, Sir, aber da ich nicht nach Vietnam zurückkehren darf, würde ich gern Ihr Angebot annehmen und an der Akademie bleiben, um Ihnen bei den Neuzugängen zu helfen.«
»Diese Stelle ist schon vergeben«, sagte Tremlett, »und ich bin mir auch nicht mehr sicher, ob das für Sie langfristig gesehen das Beste ist.«
»Denken Sie an etwas anderes?«, fragte Nat.
»Wo Sie es schon
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