Archer Jeffrey
hatte.
Anstatt sich weiter dem fleißigen Verzehr von Cornflakes zu widmen, lud Gerald jetzt Angela häufig zum Dinner ein, in der Absicht, sie seinem alten Rivalen auszuspannen.
Gerald verzeichnete einen weiteren Punkt für sich, als Angela ein paar Tage vor Weihnachten Walter ihren Verlobungsring zurückgab.
Walter verbreitete daraufhin das Gerücht, Gerald wolle Angela nur deshalb heiraten, weil ihr Vater Vorsitzender des Städtischen Ausschusses für die Erhaltung von Sehenswürdigkeiten in Hull sei und er hoffe, nach seiner Abschlußprüfung in Durhain auf diesem Weg einen Job im Stadtrat zu bekommen.
Als die Hochzeitseinladungen verschickt wurden, stand Walter nicht auf der Gästeliste.
In ihren Flitterwochen reisten Mr. und Mrs. Haskins nach Multavia, weil sie sich einerseits Nizza nicht leisten konnten und andererseits nicht nach Cleethorpes fahren wollten. Wie dem auch sei, das örtliche Reisebüro offerierte ein Sonderangebot für diejenigen, die sich für einen Besuch des winzigen Königreichs interessierten, das eingezwängt zwischen vergleichsweise riesenhaften Ländern im Zentrum Europas lag.
Als die Neuvermählten in ihrem Hotel in der Hauptstadt Teske eintrafen, wurde ihnen klar, warum das Angebot so günstig gewesen war.
Multavia durchlebte 1959 eine Identitätskrise, weil es versuchte, sich an den neuesten Staatsvertrag anzupassen, der von einem holländischen Rechtsanwalt in Genf in Französisch aufgesetzt, jedoch im Sinne einer Verständigung mit Russen und Amerikanern abgefaßt worden war. Wie dem auch immer sei, König Alfons III. seinem ebenso klugen wie beliebten Monarchen, war zu danken, daß das Königreich sich weiterhin ununterbrochener Subventionen aus dem Westen und eines konstanten Besucherstroms aus dem Osten erfreute.
Wie die Haskins’ bald feststellen sollten, herrschte in der Hauptstadt von Multavia im Juni eine Durchschnittstemperatur nahe an die 30 Grad Celsius, und es fiel kein Regen. Dann gab es da noch die Überreste einer Kanalisation, die zwischen 1939 und 1944 von beiden Seiten wahllos bombardiert worden war. Angela mußte sich tatsächlich beim Spazierengehen durch die kopfsteingepflasterten Straßen die Nase zuhalten. Das »Volkshotel« behauptete von sich, über fünfundvierzig Zimmer zu verfügen, aber worauf die Broschüre nicht hingewiesen hatte, war, daß lediglich drei von ihnen ein Bad und keins von diesen einen Badewannenstöpsel hatte. Hinzu kam das Essen, oder vielmehr der Mangel an demselben; zum erstenmal in seinem Leben verlor Gerald an Gewicht.
Das Flitterwochenpaar sollte außerdem entdecken, daß Multavia keinerlei Denkmäler, Kunstgalerien, Theater oder Opernhäuser aufzuweisen hatte, die diesen Namen verdient hätten, und daß die Umgebung flacher und langweiliger war als das Marschland von Cambridgeshire. Das Königreich hatte keinen Zugang zum Meer, und der einzige Fluß, der Plotz, entsprang irgendwo in Deutschland und floß nach Rußland hinüber, was zur Folge hatte, daß keiner der Einheimischen ihm traute.
Am Ende ihrer Flitterwochen waren die Haskins’ nur allzu froh darüber, daß Multavia sich nicht einer eigenen nationalen Fluggesellschaft rühmen konnte. BOAC brachte sie sicher heim, und damit hätte dann auch Geralds Multavia-Abenteuer geendet, wäre da nicht noch diese Kanalisation gewesen – genauer gesagt, das Fehlen einer solchen.
Sobald die Haskins nach Hull zurückgekehrt waren, begann Gerald seine Tätigkeit als Assistent in der bautechnischen Abteilung des Stadtrats. Als Dritter Ingenieur war er vor allem verantwortlich für die städtischen Abwässer. Die meisten ehrgeizigen jungen Männer hätten ein solches Tätigkeitsfeld bloß als eine kleine Stufe auf der Erfolgsleiter des Lebens angesehen. Für Gerald war das keineswegs so. Er nahm sofort mit allen führenden Kanalisationsfirmen und deren Beratern sowie mit allen Fachbereichskollegen im ganzen Land Verbindung auf.
Zwei Jahre darauf konnte er dem Komitee seines Schwiegervaters einen Bericht vorlegen, der aufzeigte, wie der Stadtrat durch die Sanierung des Kanalisationssystems eine beträchtliche Menge an Steuergeldern sparen könnte.
Das Komitee war beeindruckt und beschloß, Mr. Haskins’ Empfehlung in die Tat umzusetzen. Gleichzeitig ernannte es ihn zum Zweiten Ingenieur.
Dies war die erste Gelegenheit für Walter Ramsbottom, für den Stadtrat zu kandidieren; er wurde nicht gewählt.
Als drei Jahre später das Netz von kleinen Tunnels und Wasserstraßen
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