Archer Jeffrey
der unter seinem Befehl stehenden Männer verlor.
Zu des Obersts Überraschung legte ihnen der Lagerkommandant trotz der in Japan vorherrschenden nationalen Überzeugung, jeder Soldat, der sich gefangennehmen lasse, müsse wie ein Deserteur behandelt werden, nicht allzu viele Hindernisse in den Weg.
»Sie sind wie der Ochsenfrosch«, meinte Major Sakata eines Abends, als er zusah, wie der Oberst aus Bambusholz Kricketstäbe schnitzte. Dies war eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen der Oberst ein Lächeln zustande brachte.
Seine wirklichen Probleme hatten ihre Ursache weiterhin in Leutnant Takasaki und dessen Handlangern, in deren Augen gefangengenommene alliierte Soldaten lediglich wie Verräter zu behandeln waren. Dem Oberst persönlich begegnete Takasaki stets mit großer Vorsicht, übte jedoch keinerlei solche Zurückhaltung, wenn er mit den anderen Dienstgraden zu tun hatte, mit dem Ergebnis, daß den alliierten Soldaten oft ihre mageren Verpflegungsrationen konfisziert wurden, sie einen Gewehrkolbenstoß in den Magen erhielten oder sogar tagelang an einen Baum gebunden stehen mußten.
Jedesmal, wenn der Oberst sich mit einer offiziellen Beschwerde an den Kommandanten wandte, hörte Major Sakata verständnisvoll zu und bemühte sich sogar, die Hauptschuldigen auszusondern. Moores glücklichster Augenblick in Tonchan war der, als er erleben durfte, wie der »Totengräber« und das »Schwein« den Zug an die Front bestiegen. Keiner versuchte diese Reise zu sabotieren. Der Kommandant ersetzte die beiden durch Feldwebel Akida und den Korporal Sushi, die von den Gefangenen schon fast liebevoll »Süß-saures Schweinefleisch« genannt wurden. Dann jedoch schickte das japanische Oberkommando einen neuen Stellvertreter ins Lager, einen Leutnant Osawa, der schnell als »der Teufel« bekannt wurde, da er Untaten verübte, die den »Totengräber« und das »Schwein« vergleichsweise als Organisatoren von Kirchenfeierlichkeiten erscheinen ließen.
Während die Monate verstrichen, wuchs zwischen dem Oberst und dem Kommandanten der gegenseitige Respekt. Sakata vertraute seinem englischen Gefangenen sogar an, er habe das Ansuchen gestellt, an die Front geschickt zu werden, um richtig kämpfen zu können. »Und falls«, fügte der Major hinzu, »das Oberkommando meinem Gesuch stattgibt, würde ich mich nur von zwei Unteroffizieren begleiten lassen.«
Oberst Moore wußte, daß der Major dabei an »Süß-saures Schweinefleisch« dachte, und dachte mit Sorge daran, was aus seinen Männern werden würde, wenn die einzigen drei Japaner, mit denen er zusammenarbeiten konnte, an die Front zurückgeschickt würden und das Lager so unter den Befehl von Leutnant Osawa geriete.
Als Major Sakata zu ihm in seine Hütte kam, war Oberst Moore klar, daß etwas Außergewöhnliches geschehen sein mußte, denn dies hatte er noch nie zuvor getan. Der Oberst stellte seine Reisschale zurück auf den Tisch und bat die drei Offizierskameraden, die mit ihm gefrühstückt hatten, draußen zu warten.
Der Major nahm Haltung an und salutierte.
Der Oberst erhob sich zu seiner vollen Körpergröße von sechs
Fuß, erwiderte den Gruß und starrte hinab in Sakatas Augen. »Der Krieg ist zu Ende«, sagte der japanische Offizier. Einen
Augenblick lang befürchtete Moore das Schlimmste. »Japan hat bedingungslos kapituliert. Das Lager, Sir«, sagte Sakata leise, »steht unter Ihrem Kommando.«
Der Oberst gab sofort Befehl, alle japanischen Offiziere im Quartier des Kommandanten festzusetzen. Während seine Anordnungen durchgeführt wurden, machte er sich persönlich auf die Suche nach dem »Teufel«. Moore marschierte über den Paradeplatz und ging geradewegs auf die Offiziersquartiere zu. Er fand die Hütte des stellvertretenden Kommandanten, ging die Stufen hinauf und riß Osawas Tür auf. Der Anblick, der sich dem neuen Kommandanten bot, war einer, den er nie würde vergessen können. Der Oberst hatte über rituelles Harakiri gelesen, ohne sich wirklich vorstellen zu können, worin dessen letzter Akt bestand. Leutnant Osawa mußte sich hundertmal den Bauch aufgeschlitzt haben, bevor er endlich gestorben war. Das Blut, der Gestank und der Anblick des verstümmelten Körpers hätten sogar einem Gurkha Übelkeit verursacht. Nur anhand des Kopfes ließ sich mit Sicherheit sagen, daß die sterblichen Überreste einmal einem Menschen gehört hatten.
Der Oberst ordnete an, Osawa vor den Toren des Lagers zu begraben.
Als die Kapitulation Japans
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