Archer Jeffrey
schließlich an Bord des USSchlachtschiffes » Missouri « in der Bucht von Tokio unterzeichnet wurde, hörten im Kriegsgefangenenlager von Tonchan alle Insassen der Zeremonie vor dem einzigen im Camp verfügbaren Radio zu. Anschließend ließ Oberst Moore das gesamte Lager zum Appell auf dem Exerzierplatz antreten. Zum erstenmal seit zweieinhalb Jahren trug er seine Ausgehuniform, in der er aussah wie ein Hanswurst, der sich in eine Cocktailparty verirrt hatte. Stellvertretend für die Alliierten nahm er die japanische Flagge aus den Händen von Major Sakata entgegen und ließ den besiegten Feind dann zu den Klängen der beiden nacheinander von Feldwebel Hawke auf seiner Mundharmonika gespielten Nationalhymnen die amerikanische und die britische Flagge aufziehen.
In Gegenwart aller alliierten und japanischen Soldaten hielt der Oberst anschließend einen kurzen Dankgottesdienst ab.
Nachdem die Befehlsgewalt nun in seine Hände übergegangen war, wartete Oberst Moore, während eine sinnlose Woche nach der anderen verstrich, auf die Nachricht, daß man ihn nach Hause schicke. Viele seiner Männer hatten schon ihre Order erhalten, sich auf den zehntausend Meilen langen Rückweg über Bangkok und Kalkutta nach England zu begeben, aber kein derartiger Befehl erreichte den Oberst, und er wartete vergeblich darauf, daß sein Marschbefehl in die Heimat einträfe.
Dann kam im Januar 1946 ein elegant gekleideter junger Gardeoffizier mit der Order, den Oberst aufzusuchen, im Lager an. Er wurde zum Büro des Kommandanten geführt und salutierte, bevor er ihm die Hand schüttelte. Richard Moore starrte den jungen Hauptmann an, der, nach seiner gesunden Gesichtsfarbe zu urteilen, offensichtlich erst lange nach der Kapitulation der Japaner im Fernen Osten eingetroffen war. Der
Hauptmann überreichte dem Oberst einen Brief.
»Endlich geht’s nach Hause«, sagte der ältere Mann munter,
während er den Umschlag aufriß, um dann jedoch feststellen zu müssen, daß es noch Jahre dauern konnte, bevor er hoffen durfte, die Reisfelder von Tonchan gegen die grünen Felder von Lincolnshire zu vertauschen.
In dem Brief wurde der Oberst aufgefordert, nach Tokio zu reisen und England in dem bevorstehenden Kriegsverbrecherprozeß in der japanischen Hauptstadt zu vertreten. Hauptmann ROSS von der Coldstream-Garde solle sein Kommando in Tonchan übernehmen.
Das Gericht werde sich aus zwölf Offizieren unter dem Vorsitz von General Matthew Tomkins zusammensetzen. Moore als der einzige britische Vertreter solle sich direkt beim General melden, »sobald es Ihnen paßt«. Weitere Einzelheiten würden ihm bei seiner Ankunft in Tokio mitgeteilt werden. Der Brief endete mit dem Satz: »Falls Sie aus irgendeinem Grund bei Ihren Beratungen meine Hilfe brauchen, zögern Sie nicht, mit mir persönlich Verbindung aufzunehmen.« Es folgte die Unterschrift von Clement Attlee.
Stabsoffiziere sind es nicht gewohnt, den Anweisungen von Premierministern nicht Folge zu leisten, also fand sich der Oberst mit einem verlängerten Aufenthalt in Japan ab.
Es dauerte mehrere Monate, bis das Tribunal aufgestellt war, und während dieser Zeit beaufsichtigte Oberst Moore weiterhin die Rückkehr britischer Truppenteile in ihre Heimat. Der Papierkrieg war endlos, und einige der unter seinem Befehl stehenden Männer waren so geschwächt, daß er es als notwendig erachtete, ihnen nicht nur physisch, sondern auch seelisch wieder zu Kräften zu verhelfen, bevor er sie an Bord der Schiffe schickte, die nach den verschiedenen Zielhäfen in See stachen. Manche von ihnen starben lange nach der Ratifizierung der Kapitulationsurkunde.
Während dieser Zeit des Wartens bediente sich Oberst Moore des Major Sakata und der zwei Unteroffiziere, in die Sakata so viel Vertrauen gesetzt hatte, des Feldwebels Akida und des Korporals Sushi, als seiner Verbindungsoffiziere. Der plötzliche Kommandowechsel beeinträchtigte nicht die Beziehung zwischen den beiden Offizieren, obgleich Sakata dem Oberst gegenüber zugab, er habe sich gewünscht, bei der Verteidigung seines Vaterlandes getötet zu werden, statt am Leben zu bleiben und dessen Schmach mitzuerleben. Der Oberst machte die Feststellung, daß die Japaner sehr diszipliniert blieben, während sie darauf warteten, ihr Schicksal zu erfahren, und daß die meisten von ihnen der Ansicht waren, die naturgemäße Konsequenz aus der Niederlage sei für sie der Tod.
Das Tribunal hielt seine erste Plenumssitzung am 19. April 1946 in Tokio
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