Archer Jeffrey
wollte man annehmen, er wisse, daß wir nach unserem Lunch in Sefton Hall nicht mehr in der Lage waren, eine weitere schwere Mahlzeit zu uns zu nehmen.
Ebenfalls überraschte mich, daß sämtliche von ihm ausgesuchten Weine in Karaffen serviert wurden, und ich schloß daraus, daß der Wirt sich für die Weine des Hauses entschieden hatte. Nachdem einer nach dem anderen kredenzt und von uns getrunken worden war, schienen sie, wie ich zugeben muß, für meinen ungeschulten Gaumen den Weinen, die ich kurz zuvor an demselben Tag in Sefton Hall getrunken hatte, bei weitem überlegen zu sein. Barker kostete offensichtlich jeden einzelnen Schluck aus und sagte anerkennend: »Das ist der wahre Jakob!«
Am Ende des Abends lehnten wir uns, nachdem unser Tisch abgedeckt worden war, zurück, genossen einen herrlichen Portwein und rauchten Zigarren.
In diesem Augenblick erwähnte Henry Hamilton zum ersten Mal.
»Werden Sie uns in das Rätsel der Vorgänge heute beim Lunch einweihen?« fragte er.
»Ich bin mir selbst noch nicht ganz darüber im klaren«, lautete Barkers Antwort. »Aber eines weiß ich ganz bestimmt: Mr. Hamiltons Vater war ein Mann, der seine Weine kannte, was man von seinem Sohn nicht sagen kann.«
Ich hätte Barker gerne näher zu diesem Punkt befragt, wenn nicht gerade in diesem Augenblick der Wirt an seine Seite getreten wäre.
»Ein vorzügliches Essen«, erklärte Barker. »Und, was die Weine betrifft – Sie waren wirklich außergewöhnlich gut.«
»Sehr liebenswürdig von Ihnen, Sir«, sagte der Wirt, während er ihm die Rechnung überreichte.
Wie ich zu meiner Schande gestehen muß, war meine Neugier stärker als ich, und ich warf einen Blick auf den unteren Teil des schmalen Zettels. Ich traute meinen Augen nicht – die Rechnung belief sich auf zweihundert Pfund.
Zu meiner Verblüffung sagte Barker nur: »Den Umständen nach sehr günstig.« Er stellte einen Scheck aus und überreichte ihn dem Wirt. »Einen 1980er Château d’Yquem habe ich vor dem heutigen Tag erst einmal gekostet«, fügte er hinzu, »den 1927er Taylors aber noch nie.«
Der Wirt lächelte. »Ich hoffe, daß Sie an beiden Ihre Freude hatte, Sir. Ich bin überzeugt, sie würden nicht wollen, daß sie an einen Aufschneider verschwendet werden.«
Barker nickte zustimmend.
Mit den Augen verfolgte ich, wie der Wirt das Eßzimmer verließ und an seinen Platz hinter der Bar zurückkehrte.
Er reichte den Scheck an Adams, den Butler, weiter, der ihn einen Augenblick lang betrachtete und dann in kleine Stücke zerriß.
Unfälle und ihre Folgen
Wir begegneten Patrick Travers zum ersten Mal in unserem alljährlichen Winterurlaub in Verbier. Wir warteten an jenem ersten Samstagmorgen gerade beim Skilift, als ein Mann, so Anfang der Vierzig, beiseite trat, um Caroline vorzulassen, so daß sie und ich gemeinsam hinauffahren konnten. Er erklärte, er habe an dem Morgen schon zwei Abfahrten hinter sich und es mache ihm nichts aus zu warten. Ich dankte ihm und dachte nicht weiter darüber nach.
Wenn meine Frau und ich auf dem Gipfel angekommen sind, trennen sich gewöhnlich unsere Wege. Sie nimmt die AAbfahrt, um zu Marcel zu stoßen, der nur fortgeschrittene Skiläufer unterrichtet – sie läuft seit ihrem siebten Lebensjahr Ski –, ich nehme die B-Abfahrt zu irgendeinem Skilehrer, der gerade zur Verfügung steht – ich habe mit dem Skilaufen im Alter von einundvierzig Jahren angefangen. Ehrlich gesagt, war selbst die B-Abfahrt für mich noch zu schwierig, obgleich ich das, vor allem Caroline gegenüber, nicht zuzugeben wagte. Nach Absolvierung unserer Abfahrten treffen wir uns dann immer beim Skilift wieder.
An jenem Abend rannten wir Travers in der Hotelbar über den Weg. Da er allein zu sein schien, forderten wir ihn auf, mit uns zu Abend zu essen. Er erwies sich als amüsanter Gesprächspartner, und wir verbrachten einen recht angenehmen Abend miteinander. Er flirtete galant mit meiner Frau, ohne je zu weit zu gehen, und seine Aufmerksamkeiten schienen ihr zu schmeicheln. Mit den Jahren habe ich mich daran gewöhnt, daß Männer sich zu Caroline hingezogen fühlen, und man braucht mich nie daran zu erinnern, was für ein Glückslos ich gezogen habe. Während des Abendessens erfuhren wir, daß Travers ein Bankkaufmann mit einem Büro in der City und einer Wohnung auf dem Eaton Square war. Er komme, erzählte er uns, seit einem Schulskikurs in den späten 50ern jedes Jahr nach Verbier. Noch immer war er stolz darauf, an jedem Morgen der erste
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