Archer Jeffrey
zu fliehen versuchte – in den Rücken. Wäre der Feigling nicht auf der Stelle tot umgefallen, Romanow hätte seine nächste Kugel auf ihn abgefeuert. Aber mit Waltschek war das etwas anderes. Seinen Mut hätte niemand in Frage gestellt. Er hatte es zunächst mit den Engländern aufgenommen, die auf ihn zugerobbt waren, dann mit den Amerikanern, die wie die Siebente Kavallerie herbeigestürmt kamen. Romanow war Mentor zu Dank verpflichtet – er hatte dafür gesorgt, daß sie als erste an Ort und Stelle gewesen waren. Allerdings mußte er Mentor möglichst rasch warnen: Auch die Amerikaner hatten einen Informanten im englischen Geheimdienst. Dennoch empfand Romanow eine gewisse Befriedigung – er hatte die Amerikaner so hervorragend getäuscht, daß sie das Feuer eröffneten auf die Briten. Waltschek und er brauchten nur noch die Überlebenden abzuknallen. Der letzte Überlebende war ein Amerikaner gewesen; er hatte ununterbrochen auf Waltschek geschossen, als sie sich aus dem Staub machten.
Romanow schätzte, daß ihm eine gute Stunde blieb, bis die Franzosen, Engländer und Amerikaner für die Leichen auf dem aufgelassenen Flugfeld eine plausible Erklärung würden finden müssen.
Seine Gedanken kehrten zu Waltschek zurück, der neben ihm stöhnte.
»Biegen wir ab. Fahren wir in den Wald hinein«, bat
Waltschek. »Ich mach’s nicht mehr lange.«
»Durchhalten, Genosse, durchhalten!« wiederholte Roma
now.
»Wir können nicht mehr weit von Scott entfernt sein. Denken
Sie an Mütterchen Rußland!«
»Zum Teufel mit Mütterchen Rußland«, antwortete
Waltschek. »Lassen Sie mich doch in Frieden sterben!«
Romanow sah noch einmal zu seinem Kameraden hinüber. Er erkannte, daß er in wenigen Minuten wahrscheinlich eine Leiche am Hals haben würde. Inzwischen sickerte das Blut wie
ein undichter Wasserhahn, der nicht zu tropfen aufhört, auf den Boden des Wagens.
Romanow entdeckte vor sich eine Lücke zwischen den Bäumen. Er blendete voll auf, lenkte den Wagen von der Straße in einen Waldweg, fuhr, so rasch es ging, ins Gebüsch hinein, bis es zu dicht wurde, schaltete die Scheinwerfer aus, lief um das Auto herum und öffnete die Beifahrertür.
Waltschek schaffte nur zwei oder drei Schritte, dann sank er zu Boden, die Hände gegen die Eingeweide gepreßt. Romanow beugte sich hinab und half, als Waltschek sich ein wenig aufrichtete und vorsichtig am Stamm eines großen Baumes anlehnte.
»Lassen Sie mich hier sterben, Genosse Major! Verlieren Sie keine Zeit mit mir.«
Romanow runzelte die Stirn. »Wie möchten Sie sterben, Genosse?« fragte er. »Langsam unter großen Schmerzen, oder rasch und in Frieden?«
»Lassen Sie mich allein, Genosse! Lassen Sie mich langsam sterben. Aber gehen Sie, solange Scott noch in Reichweite ist.«
»Und wenn die Amerikaner Sie finden, werden sie Sie vielleicht zum Reden bringen …«
»Bestimmt nicht, Genosse! Das wissen Sie selbst am besten.«
Romanow steckte den Verweis schweigend ein, richtete sich auf und lief nach kurzem Nachdenken zum Auto zurück.
Waltschek begann zu beten, irgend jemand möge ihn finden, sobald dieser Hurensohn endlich weg war. Er hatte diesen Auftrag von allem Anfang an nicht gewollt, aber Zaborski konnte man sich unmöglich widersetzen. Reden würde Waltschek bestimmt nicht, aber sein Lebenswille war noch immer stark.
Die Kugel aus der 9-mm-Makarow schlug ihm direkt durch die Schläfe und zertrümmerte die eine Hälfte des Kopfes. Waltschek sackte zusammen und sank zu Boden; einige Sekunden lang wurde sein Körper von konvulsivischen Krämpfen geschüttelt, die in Zuckungen übergingen, als sich Blase und Darm auf die braune Erde entleerten.
Romanow blieb über Waltschek gebeugt stehen, bis er ganz sicher sein konnte, daß der Agent tot war. Auch wenn Waltschek vermutlich nicht geredet hätte – jetzt war nicht der Zeitpunkt, unnötige Risiken einzugehen.
Als er am nächsten Morgen aufwachte, hatte er – wie jedesmal
– die gleichen, vertrauten Schuldgefühle. Wieder einmal schwor er sich, daß es das letzte Mal gewesen war. Es war doch nie so gut, wie er sich’s vorgestellt hatte, und die Reue hielt stundenlang an.
Die Kosten für die zweite Wohnung, die Taxifahrten und die Clubrechnungen machten alles beinah unerschwinglich. Und dennoch kehrte er immer wieder zurück, wie ein Lachs zu seinen Laichplätzen.
Als Piers aufwachte, ließ er in den nächsten zwanzig Minuten seinen Gefährten alle Gewissensbisse vergessen. Nach einem Augenblick
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