Archer Jeffrey
sich tief vor Jeanne. »Merkwürdig ist nur, daß sich erst vor wenigen Wochen jemand nach der Zaren-Ikone erkundigt hat«, sagte er, bevor er davonschlurfte, was zumindestens Adam nicht zu überraschen schien.
»Ich habe nur meine …« setzte der Oberaufseher an.
»… Pflicht getan«, ergänzte Adam. »Eine ganz selbstverständliche Vorsichtsmaßnahme, wenn Sie mich fragen«, fügte er ein wenig großspurig hinzu. »Ich kann Ihre Art, derartige Zwischenfälle zu meistern, nur bewundern.«
Jeanne starrte die beiden an. Sie fühlte sich außerstande, auch nur einigermaßen zu begreifen, was hier vorging.
»Sie sind zu freundlich, Monsieur«, erwiderte der Aufseher erleichtert. »Ich hoffe, Sie besuchen uns wieder!« Er bedachte auch Jeanne mit einem Lächeln und geleitete die beiden zum Eingang des Louvre. Als sie durch die Tür ins Freie traten, nahm er Haltung an und salutierte schneidig.
Adam und Jeanne schritten über die Stufen in die Sonne hinaus, die auf Paris niederschien.
»Darf ich jetzt endlich erfahren, worum es geht?« fragte Jeanne.
»Du warst magnifique, großartig«, sagte Adam. Er versuchte erst gar nicht, ihr etwas zu erklären.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Jeanne. »Aber warum du brauchst eine oscarreife Leistung von mir, wenn das Bild sowieso dir ge’ört?«
»Du hast ja recht«, räumte Adam ein. »Ich hab’ es eben über Nacht im Gewahrsam des Louvre gelassen. Und ohne dein Bravourstück hätte es vielleicht viel länger gedauert, die Gelehrten davon zu überzeugen, daß es überhaupt mir gehört.«
Er erkannte an ihrem Gesichtsausdruck, daß Sie keine Ahnung hatte, wovon er sprach.
»Weißt du, daß ich zum erstenmal im Louvre war?« sagte sie und hakte sich bei Adam unter.
»Du bist unbezahlbar«, antwortete Adam lachend.
»Nein, bin ich nicht«, erwiderte sie und wandte ihm das Gesicht zu. »Zwei’undert Francs waren abgemacht, ganz egal, ob es dir ge’ört oder nicht.«
»Das stimmt«, sagte Adam. Er zog die Brieftasche von Tomkins hervor und entnahm ihr zweihundert Francs, zu denen er noch hundert dazulegte. »Das hast du dir wirklich verdient«, stellte er anerkennend fest.
Jeanne steckte das Geld dankbar ein. »Ich denke, ich nehme mir den Abend frei«, verkündete sie.
Adam nahm sie in die Arme und küßte sie auf die Wangen.
Sie küßte ihn auf die Lippen und lächelte. »Wenn du bist das nächste Mal in Paris, chéri, besuch mich. Ich schulde dir eine Runde – auf Kosten des ’auses.«
»Wie können Sie so sicher sein?«
»Ich bin meiner Sache deswegen so sicher, weil Antarktis Pemberton bereitwillig so viele Hinweise gegeben hat.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie sagten, Pemberton hätte erklärt, Antarktis würde nie wieder anrufen, wenn Sie und Ihre Kollegen ihn noch einmal im Stich lassen. Nicht nur, daß er nochmals angerufen hat – er hat Sie geradezu mit Fakten bombardiert. Wohin, sagten Sie, wollte er?«
»Zurück nach Genf! Hat irgend etwas mit dem deutschen Mädchen und der Bank zu tun.«
»Das Mädchen ist tot, und die Bank ist am Wochenende geschlossen. Er befindet sich garantiert auf dem Weg nach England.«
»Ich möchte einen Wagen mieten. Ich werde ihn an der Küste wieder zurückgeben – aber ich weiß noch nicht genau, in welchem Hafen«, erklärte Adam dem Mädchen hinter dem
Schalter.
»Gewiß, Monsieur « , sagte sie. »Würden Sie bitte dieses
Formular ausfüllen, und dann benötigen wir noch Ihren Führerschein.«
Adam zog sämtliche Papiere aus der Sakkotasche und reichte dem Mädchen den Führerschein von Tomkins. Er füllte gemächlich das Formular aus und ahmte die Unterschrift des »Colonels« nach, die er auf der Rückseite von dessen Clubkarte fand. Er bezahlte alle Gebühren für den Mietwagen in bar, da er hoffte, das Verfahren dadurch beschleunigen zu können.
Das Mädchen nahm das Geld und zählte die Scheine sorgfältig, bevor sie die Rückseite des Führerscheins mit der Unterschrift auf dem Formular verglich. Zu Adams Erleichterung fiel ihr nicht auf, daß er viel jünger aussah, als das Geburtsdatum im Führerschein vermuten ließ. Er steckte die Dokumente und Albert Tomkins’ Brieftasche wieder in die Innentasche seines Jacketts. Das Mädchen drehte sich zu einem Wandbrett um und nahm einen Autoschlüssel vom Haken.
»Ein roter Citroen. Er steht im ersten Obergeschoß der Garage«, erklärte sie ihm. »Das Kennzeichen ist auf den Schlüsselanhänger geprägt.«
Adam dankte und lief in die erste Etage. Dort händigte er den
Weitere Kostenlose Bücher