Archer Jeffrey
hatte, doch Zaborski blickte weiterhin starr auf den Tisch.
»Und wir hätten dafür«, fuhr Breschnew fort, und seine Stimme war fast nur mehr ein Flüstern, »nicht ein Leben opfern müssen, nicht eine Rakete, nicht einen Panzer oder auch nur eine Kugel – denn das Land, von dem ich gesprochen habe, gehört rechtmäßig uns. Wenn es uns innerhalb der nächsten sechsunddreißig Stunden nicht gelingt, die Zaren-Ikone zu finden, wird sich uns nie wieder eine derartige Chance bieten. Wir hätten die Gelegenheit ein für allemal verpaßt.«
Außenminister Gromyko wartete, bis er sicher sein konnte, daß Breschnew seine Ausführungen beendet hatte.
»Wenn Sie die Frage gestatten, Genosse Vorsitzender«, warf er schließlich ein, »aus welchem Grund durfte sich Major Romanow weiterhin an diesem so brisanten Unternehmen beteiligen, da er doch in Verdacht geraten war« – er warf einen Blick auf seine Unterlagen –, »die Wissenschaftlerin Petrowa ermordet zu haben?«
»Weil mir«, entgegnete Zaborski und sah zum erstenmal auf, »bei Bekanntwerden dieser Tatsache nur mehr sieben Tage bis zum morgigen Stichtag zur Verfügung standen. Und weil ich der Meinung war, daß Romanow innerhalb so kurzer Zeit durch niemanden ersetzt werden könne.«
Es klopfte schüchtern an der Tür. Die um den Tisch Versammelten sahen einander überrascht an. Der Verteidigungsminister hatte ausdrücklich befohlen, daß sie von niemandem gestört werden durften.
»Herein!« brüllte Breschnew.
Die große Tür öffnete sich behutsam. In dem Spalt erschien ein Sekretär. Das Zittern des dünnen Blatt Papiers in seiner Hand verriet seine Nervosität. Breschnew machte keine Anstalten, sich umzudrehen und nachzusehen, wer gekommen war; daher winkte der Verteidigungsminister den Sekretär herein, der auf den Tisch zu huschte, das Telex hinlegte, sich umdrehte und beinah fluchtartig wieder das Zimmer verließ.
Langsam klappte Breschnew seine Schildpattbrille auseinander und nahm das Schreiben zur Hand. Nachdem er die Depesche durchgelesen hatte, blickte er in die erwartungsvollen Gesichter der übrigen Männer. »Allem Anschein nach hat ein Engländer im Louvre eine Ikone deponiert und heute vormittag wieder abgeholt.«
Das Blut wich aus Zaborskis Gesicht.
Die vier Minister rund um den Tisch sprachen alle durcheinander. Erst als Breschnew seine mächtige Rechte hob, trat Stille ein.
»Da ich annehme, daß wir den Engländer trotz allem als erste in die Hände bekommen, beabsichtige ich, meine Pläne weiterzuverfolgen.« Breschnew wandte sich an den Außenminister: »Alarmieren Sie alle unsere Botschafter im Westen! Sie sollen sich bereit halten, den Außenminister ihres Gastlandes über die Tragweite des Vertragszusatzes zu informieren. Und geben Sie Anatoli Dobrynin in Washington Weisung, am Montag eine offizielle Zusammenkunft mit dem amerikanischen Außenminister zu vereinbaren. Ferner wünsche ich, daß zum gleichen Zeitpunkt ein Treffen zwischen unserem Botschafter bei den Vereinten Nationen und U Thant arrangiert wird.«
Gromyko nickte. Breschnew wandte seine Aufmerksamkeit bereits dem Chef des Generalstabs zu. »Sorgen Sie dafür, daß unsere gesamten Streitkräfte in Bereitschaft versetzt werden, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, wenn wir unsere diplomatische Initiative bekanntgeben.«
Malinowski lächelte.
Schließlich wandte sich der Generalsekretär an den Vorsitzenden des KGB. »Sind die Seiten für unsere Anzeigen in allen größeren westlichen Zeitungen noch immer reserviert?«
»Jawohl, Genosse Generalsekretär!« antwortete Zaborski. »Ich kann aber nicht versprechen, daß die Blätter tatsächlich bereit sein werden, Ihre vorbereitete Erklärung zu drucken.«
»Dann bezahlen Sie jede einzelne Zeitung im voraus«, sagte Breschnew. »Kaum ein westlicher Herausgeber wird freiwillig auf eine ganzseitige Anzeige in seinem Blatt verzichten, wenn das Geld schon auf seinem Konto liegt.«
»Und wenn wir die Ikone nicht finden …« setzte der Vorsitzende des KGB an.
»In dem Fall wird es Ihre letzte Aufgabe als Vorsitzender des Staatssicherheitsdienstes sein, sämtliche Anzeigen wieder zu stornieren«, erklärte der Generalsekretär der Kommunistischen Partei.
23
Adam kurbelte das Seitenfenster hinunter. Warme Sommerluft strömte in den Wagen. Er hatte beschlossen, die Hauptstraße nach Calais zu meiden und lieber die N1 nach Boulogne zu nehmen. Er hielt es noch immer für möglich, daß Romanow in allen Häfen an der Kanalküste seine Leute
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