Archer Jeffrey
Tetanusspritze.« Adam wurde weiß im Gesicht. »Seltsam, wie wenige erwachsene Männer den Anblick einer Injektionsnadel aushalten können«, stellte der Arzt fest. Adam stöhnte.
»So schlimm war es doch nicht, oder?« redete ihm der Arzt begütigend zu. Er brachte Adam oben an der Schulter einen breiten Verband an. »Haben Sie jemanden, der Sie abholt?« erkundigte er sich schließlich.
»Ja! Meine Frau wartet auf mich.«
»Gut! Sie können jetzt gehen. Aber melden Sie sich bitte bei Ihrem praktischen Arzt, wenn Sie wieder zu Hause sind.«
Romanow, der auf dem Fahrersitz saß, beobachtete, wie der Bus durch den Zollbereich rollte. Er fuhr hinter ihm her durch das Haupttor und auf die A2, Richtung London.
»Halten wir sie unterwegs auf?« fragte Pollard nervös. »Diesmal nicht!« antwortete Romanow kurz. Während der Fahrt in die Hauptstadt ließ er den Bus keine Sekunde lang aus den Augen.
Adam verließ das Krankenhaus und vergewisserte sich, daß ihm niemand folgte. Die einzigen Personen, die er sah, waren ein Mann in einem blauen Dufflecoat, der in die entgegengesetzte Richtung ging, und eine Krankenschwester, die hastig an ihm vorbeitrippelnd auf ihre Uhr blickte. Zufrieden hielt Adam ein Taxi an, fuhr zur Dover Priory Station und löste eine einfache Fahrkarte nach London.
»Wann geht der nächste Zug?«
»Sollte jeden Moment eintreffen«, antwortete der Mann am Schalter. »Das Schiff hat vor vierzig Minuten angelegt. Es dauert aber immer eine gewisse Zeit, bis alle Passagiere an Land sind.«
Adam begab sich auf den Bahnsteig. Er blickte wachsam um sich, ob sich jemand verdächtig benahm. Den dunkelhaarigen Mann im blauen Dufflecoat, der am Rolladen des W. H. Smith’s-Verkaufsstandes lehnte und den Evening Standard las, bemerkte er nicht.
Adams Gedanken kehrten zu Robin zurück. Sie saß schon in dem Bus, der sie ungefährdet nach Hause brachte. Der Londoner Zug fuhr ein; er war voll mit Reisenden von der Fähre. Adam suchte sich ein Abteil, in dem lauter Halbstarke saßen, die offenbar einen Ausflug zum Meer unternommen hatten. Er hielt es für unwahrscheinlich, daß außer ihm noch jemand Lust verspüren würde, sich zu ihnen zu gesellen. Adam setzte sich auf den einzigen freien Platz in einer Ecke des Abteils und blickte aus dem Fenster.
Als der Zug in Canterbury einfuhr, hatte niemand außer dem Schaffner das Abteil betreten, und selbst der hatte diskret übergangen, daß ihm einer der Jugendlichen statt einer Fahr- nur eine Bahnsteigkarte vorweisen konnte. Adam fühlte sich in der Ecke dieses Abteils merkwürdig sicher, selbst dann noch, als er einen dunkelhaarigen Mann in einem blauen Dufflecoat bemerkte, der an der Tür des Abteils vorbeiging und aufmerksam hereinsah.
Dann aber wurde Adam durch die lautstarke Beschwerde eines der Jugendlichen, offensichtlich des Rädelsführers der Bande, jäh aus seinen Gedanken gerissen.
»In diesem Abteil stinkt’s«, erklärte der Jüngling und schnüffelte geräuschvoll.
»Find’ ich auch, Terry!« erwiderte sein Freund, der neben Adam saß, und begann das Geschnüffel nachzuahmen. »Mir scheint, es kommt ganz aus meiner Nähe.«
Adam sah zu dem jungen Mann hinüber. Seine schwarze Lederjacke war mit glänzenden kleinen Nieten übersät; quer über den Rücken stand »Heil Hitler« aufgedruckt. Adam erhob sich und zog das Fenster auf. »Vielleicht hilft ein wenig frische Luft«, meinte er, während er sich wieder setzte. Gleich darauf schnüffelten alle vier. »Mir scheint, der Gestank wird immer ärger«, stellte der Anführer fest.
»Dann bin’s wahrscheinlich ich!« sagte Adam lakonisch.
Das Geschnüffel hörte auf. Die Jugendlichen starrten Adam verblüfft an – seine Gegenattacke hatte ihnen für den Moment die Rede verschlagen.
»Ich hatte nach meiner Judostunde keine Zeit zum Duschen«, ergänzte Adam, noch bevor einer von ihnen etwas sagen konnte.
»Biste gut in Judo?« fragte der Junge neben ihm.
»So halbwegs!«
»Welchen Gürtel haste denn?« erkundigte sich Terry angriffslustig. »Los, sag schon! Den schwarzen, stimmt’s?« fügte er kichernd hinzu.
»Den schwarzen hab’ ich schon seit fast acht Jahren nicht mehr«, antwortete Adam leichthin. »Kürzlich hab’ ich meinen zweiten Dan bekommen.«
Drei der vier Gesichter sahen mit einemmal besorgt drein.
»Ich wollt’ auch mal mit Judo anfangen«, fuhr der Rädelsführer fort. »Wie lang braucht man denn, bis man halbwegs was kann?«
»Ich trainiere seit zwölf Jahren drei Stunden
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