Archer Jeffrey
schwieg, bis sie in seiner Suite waren, wo er sofort das große Fenster mit Blick auf den Bahnhof aufriß.
Er schaute nach rechts. »Aha, sie ist von deinem Fenster aus erreichbar«, sagte er nur, raste ins Nebenzimmer, am Bett mit den zerknüllten Laken vorbei, stieß das nächstliegende Fenster auf und kletterte hinaus, die Feuerleiter hinunter – Anna Petrowa schwindelte es, als sie ihm aus der Höhe des siebenten Stockwerks nachstarrte –, erreichte die unterste Sprosse und rannte zur Haltestelle, wo eben eine Straßenbahn einlief. Hätte Romanow Anna, die ihm dann doch nachkletterte, nicht mit aller Kraft noch in die Straßenbahn hochgezerrt, er wäre ihr entschwunden.
»Was ist denn los?« fragte sie völlig verwirrt.
»Ich bin mir ja über vieles noch nicht im klaren«, erwiderte
Romanow, während er aus der Straßenbahn mit äußerster Vorsicht nach hinten spähte. »Ich weiß mit Bestimmtheit nur eins: wie der hiesige CIA-Agent aussieht.«
So angestrengt sich Anna Petrowa aber auch mit Blickrichtung zum Hotel die Augen aus dem Kopf schaute, sie sah nur unbekannte Menschen auf dem Gehsteig auf und ab spazieren.
Etwa anderthalb Kilometer weiter sprang Romanow aus der Straßenbahn und hielt ein Taxi an, das aus der Gegenrichtung kam.
»Bischoff et Cie.«, sagte er, während er auf seine Begleiterin wartete, die ihm nachkeuchte.
Das Taxi schob sich durch den morgendlichen Stoßverkehr zurück in Richtung Hotel und blieb schließlich vor einem großen, braunen Granitquaderbau stehen. Romanow zahlte, stieg aus und neben den imposanten Glastüren, deren schmiedeeiserne Schutzgitter dem Astwerk eines Baumes nachgestaltet waren, entdeckte er, unauffällig in den Stein gemeißelt und mit Gold ausgelegt, die Inschrift »Bischoff et Cie.« – keinerlei Hinweis, welcher Art diese Institution war, die sich hinter dem Tor verbarg.
Romanow drehte den schweren schmiedeeisernen Türknauf und trat mit seiner Begleiterin in ein geräumiges Vestibül, in dem zur Linken hinter einem ganz für sich stehenden Schreibtisch ein elegant gekleideter junger Mann saß.
»Guten Morgen, mein Herr«, grüßte er.
»Guten Morgen«, erwiderte Romanow. »Wir haben eine Verabredung mit Herrn Dieter Bischoff.«
Der Rezeptionist prüfte die Namensliste vor ihm: »Herr Romanow, nicht wahr? Fahren Sie bitte mit dem Lift in den fünften Stock. Herrn Bischoffs Sekretärin wird sie dort empfangen«, und in der Tat, oben wurden sie von einer Dame in einem schicken, schlichten Kostüm erwartet, die sie durch einen mit Bildern geschmückten Korridor in ein gemütliches Zimmer zu folgen bat, das eher dem Empfangssalon einer Landvilla als einer Bank glich.
»Herr Bischoff wird gleich da sein«, sagte sie und ließ die beiden allein.
Romanow sah sich stehend im Raum um; an der Wand gegenüber dominierten drei gerahmte Schwarzweißfotografien mit ernst dreinblickenden Männern in grauen Anzügen, die auch wie ernste, alte Männer in grauen Anzügen auszusehen versuchten; an den übrigen Wänden hingen unauffällige, aber ansprechende Ölgemälde mit Stadt- und Landschaftsansichten aus der Schweiz des neunzehnten Jahrhunderts. Ein prachtvoller ovaler Tisch im Stil Louis XIV. mit acht geschnitzten Mahagonistühlen in der Mitte des Zimmers ließ Romanow bei der Einsicht, daß ihm ein Leben in solchem Stil wohl immer versagt bleiben würde, vollends vor Neid zusammenzucken.
Die Tür öffnete sich. Ein Mann Mitte der Sechzig trat ein; ihm folgten drei weitere Herren in Grau. Ein Blick, und Romanow wußte, wessen Fotografie eines schönen Tages neben den drei ernsten, grauen Herren an der Wand hängen würde.
»Welche Ehre für unsere kleine Bank, Herr Romanow«, begann Herr Bischoff mit einer Verneigung und schüttelte dem Russen die Hand, worauf Romanow nach einem Nicken seine Assistentin vorstellte, die daraufhin mit der gleichen höflichen Verneigung und dem gleichen Händedruck bedacht wurde.
»Darf ich Ihnen meinerseits meinen Sohn und zwei meiner Partner vorstellen – Herr Müller und Herr Weißkopf.« Die drei Herren verbeugten sich gleichzeitig, blieben jedoch stehen, als Bischoff am Tischende Platz nahm. Auf seinen Wink setzten Romanow und Anna sich neben ihn.
»Würden Sie mir wohl erlauben, einen Blick in Ihren Paß zu werfen?« fragte Bischoff, als wollte er auf diese Weise andeuten, daß der formelle, geschäftliche Teil des Gesprächs begonnen hatte. Romanow zog den kleinen blauen Paß mit dem weichen Einband aus der Innentasche
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