Archer Jeffrey
, wiederholte Romanow.
»Darf ich Ihrem Kommentar entnehmen, daß Sie mit unserer Vermögensverwaltung nicht ganz unzufrieden sind?«
Romanow war sprachlos.
»Es wird Sie vielleicht interessieren, daß es außerdem eine Reihe von Safes gibt, deren Inhalt uns nicht bekannt ist. Ihr Vater, der uns kurz nach dem Krieg einmal einen Besuch abgestattet hat, schien zufrieden und versicherte mir, er würde bald wiederkommen, aber wir haben nie mehr etwas von ihm gehört. Die Nachricht von seinem Tod haben wir mit großem Bedauern aufgenommen. Vielleicht ziehen auch Sie es unter den gegebenen Umständen vor, den Inhalt der Safes ein anderes Mal in Augenschein zu nehmen«, fuhr der Bankier fort.
»Ja«, sagte Romanow leise. »Könnte ich vielleicht heute nachmittag noch einmal kommen?«
»Die Bank steht Ihnen stets zu Diensten, Eure Exzellenz«, erwiderte Herr Bischoff.
Seit der Revolution hatte in Rußland niemand mehr einen Romanow mit diesem Titel angesprochen. Alex Romanow saß eine Weile schweigend da. Schließlich erhob er sich und schüttelte Herrn Bischoff die Hand. »Ich bin am Nachmittag wieder da«, versprach er, bevor er zu seiner Begleiterin hinausging.
Bis sie unten die Straße erreichten, sagte keiner von beiden ein Wort. Romanow war so überwältigt von dem, was er eben erfahren hatte, daß er unter den Wartenden an der Straßenbahnhaltestelle gegenüber den Mann nicht bemerkte, dem er vorhin beim Hotel so geschickt entkommen war.
7
Der Pastor ließ sich am Tisch nieder und studierte das Dokument, äußerte sich dazu aber erst nach geraumer Zeit. Er hatte Adam gleich nach den ersten Worten in die Abgeschiedenheit seines kleinen Büros hinter der Deutschen Lutherischen Kirche gebeten.
Den kahlen Raum dominierte ein mächtiger Holztisch und ein paar Holzstühle, die nicht so recht zusammenpaßten. Einziger Schmuck an den leeren, weißgetünchten Wänden war ein kleines, schwarzes Kruzifix. Auf zwei der ungleichen Stühle saßen jetzt Adam und der Pastor: Adam kerzengerade, der Gottesmann in seiner langen schwarzen Soutane, die Ellbogen auf den Tisch, den Kopf in die Hände gestützt. Er starrte auf die Kopie des Dokuments.
Ohne den Blick von dem Blatt zu heben erklärte er nach längerer Zeit: »Das ist, wenn ich mich nicht irre, ein Depotschein. Ich kenne mich in diesen Dingen nicht sonderlich gut aus, bin mir aber ziemlich sicher, daß Roget et Cie. – offenbar eine Schweizer Bankgesellschaft mit Sitz in Genf – im Besitz eines Gegenstandes sind, der hier als ›Zaren-Ikone‹ bezeichnet wird. Und wenn ich mich recht erinnere, kann das Original irgendwo in Moskau besichtigt werden. Es scheint«, fuhr er fort, »daß der Besitzer dieses Dokuments, falls er bei der Schweizer Bank vorstellig wird, Anspruch auf besagte Ikone vom heiligen Georg mit dem Drachen erheben kann, die ein gewisser Emmanuel Rosenbaum dort deponiert hat. Ich muß zugeben«, fügte der Pastor hinzu und schaute zum erstenmal auf, »daß ich so etwas noch nie zu Gesicht bekommen habe.« Er gab Adam die zusammengefaltete Kopie zurück.
»Danke«, sagte Adam. »Sie haben mir sehr geholfen.« »Ich bedaure nur, daß mein Bischof sich zur Zeit momentan auf seinen alljährlichen Exerzitien befindet. Er könnte sicherlich mehr Licht in diese Angelegenheit bringen als ich.«
»Sie haben mir alles gesagt, was ich wissen muß«, erwiderte Adam, konnte dann jedoch der Versuchung nicht widerstehen und fragte: »Sind Ikonen wertvoll?«
»Auch für solche Auskünfte, ich muß es bekennen, bin ich nicht der ideale Ansprechpartner. Ein Kunstgegenstand kann praktisch jeden Wert haben – vom niedrigsten bis zum höchsten –, ohne daß es dafür eine Erklärung gäbe, die uns gewöhnliche Sterbliche zufriedenstellen könnte. Mehr weiß ich nicht.«
»Also ist es unmöglich, den wirklichen Wert dieser Ikone zu erfahren?« fragte Adam.
»Ich wage dazu keine Meinung zu äußern, aber die Auktionshäuser Sotheby’s oder Christie’s wären dazu sicher bereit. Schließlich behaupten sie in ihrer Werbung, für jedes Gebiet einen Experten zu haben, der nur darauf wartet, die geschätzten Kunden zu beraten.«
»Dann werde ich mal die Probe aufs Exempel machen«, sagte Adam, »und ihnen einen Besuch abstatten.« Er bedankte sich zum Abschied.
»Aber nicht doch«, wehrte der Pastor ab. »Es war mir ein Vergnügen, Ihnen behilflich sein zu können. Einmal was anderes als Frau Gerbers Eheprobleme oder eine Diskussion über die Größe der Kürbisse, die der
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