Archer Jeffrey
großformatige Ölbild eines Künstlers, dessen Name – Jackson Pollock – er noch nie gehört hatte; das Gemälde war um elftausend Pfund versteigert worden. Adam wunderte sich, welche Leute sich derartige Summen für Kunstwerke leisten konnten.
»Ein wundervolles Beispiel für den Pinselstrich des Künstlers«, sagte eine Stimme hinter ihm. Adam wandte sich um und sah vor sich einen hochaufgeschossenen, leichenblassen Mann mit gelblichbraunem Schnurrbart und schütterem rotem Haar, an dem der Anzug wie an einem Kleiderbügel hing.
»Mein Name ist Sedgwick«, verkündete er.
»Scott.« Adam reichte ihm die Hand.
»Nun, Mr. Scott, setzen wir uns dort drüben zusammen, und Sie erzählen mir, wie ich Ihnen behilflich sein kann.«
»Ich bin nicht sicher, ob Sie mir helfen können«, gestand Adam und nahm auf dem Stuhl ihm gegenüber Platz. »Es geht darum, daß mir eine Ikone vererbt wurde, die vielleicht – jedenfalls hoffe ich es – einen gewissen Wert besitzt.«
»Ein vielversprechender Anfang«, meinte Sedgwick, zog eine Brille aus der Brusttasche und klappte sie auseinander.
»Es könnte sich natürlich auch herausstellen, daß gar nicht viel dahinter steckt«, erwiderte Adam. »Ich verstehe nämlich überhaupt nichts von Bildern und möchte Ihre Zeit nicht vergeuden.«
»Meine Zeit vergeuden Sie bestimmt nicht«, versicherte Sedgwick freundlich und entgegenkommend. »Wir verkaufen auch eine Menge Gegenstände für weniger als zehn Pfund, müssen Sie wissen«, was Adam selbstverständlich nicht gewußt hatte, was aber seine Besorgnis verringerte. »Eine Fotografie dieser Ikone haben Sie nicht, wie ich höre?«
»Leider nein«, gab Adam zu. »Die Ikone befindet sich noch im Ausland; um ganz ehrlich zu sein: ich habe sie noch nie zu Gesicht bekommen.«
»Verstehe«, bemerkte Sedgwick und steckte die Brille wieder weg. »Aber können Sie mir etwas über ihre Herkunft sagen?«
»Nur wenig. Sie wird als ›Zaren-Ikone‹ bezeichnet; ihr Sujet ist der heilige Georg mit dem Drachen.«
»Wie merkwürdig«, sagte Sedgwick. »Vor einer Woche etwa hat sich noch jemand nach eben dieser Ikone erkundigt, wollte uns aber seinen Namen nicht hinterlassen.«
»Es hat noch ein anderer nach der Zaren-Ikone gefragt?«
»Ja, ein Herr aus Rußland, wenn ich mich nicht irre.«
Sedgwick klopfte sich mit der Brille aufs Knie. »Ich habe auf seinen Wunsch hin weitreichende Nachforschungen über diese Ikone angestellt, aber nur wenig herausgefunden, was nicht bereits gut dokumentiert war. Der Herr wollte wissen, ob die Ikone jemals durch unsere Hände gegangen sei, beziehungsweise, ob wir überhaupt je von ihr gehört hätten. Ich setzte ihm dann auseinander, daß Rubljews Meisterwerk sich wie eh und je im Winterpalast befindet, wo es von jedermann besichtigt werden kann. Ein Original aus dem Winterpalast läßt sich übrigens stets mit Sicherheit daran erkennen, daß in die Rückseite des Rahmens die Silberkrone des Zaren eingelassen ist. Seit dem vierzehnten Jahrhundert wurden von Rubljews Meisterwerk zahlreiche Kopien unterschiedlicher Qualität hergestellt. Den Russen interessierte die Kopie eines Hofmalers aus der Zeit um 1914, aber es war mir nicht möglich, in einem der Standardwerke auch nur die Spur einer solchen Ikone zu finden. Haben Sie Unterlagen, die sich auf Ihre Ikone beziehen?« erkundigte sich Sedgwick.
»Nicht sehr viel«, sagte Adam. »Nur eine Abschrift des Depotscheins, der mir in dem Testament vermacht wurde«, fügte er hinzu und reichte dem Experten das Papier.
Wieder klappte Mr. Sedgwick die Brille auseinander, bevor er das Blatt studierte. »Ausgezeichnet, ganz ausgezeichnet«, meinte er schließlich. »Anscheinend sind Sie Besitzer einer Kopie der Zaren-Ikone vom damaligen Hofmaler – vorausgesetzt, das Haus Roget et Cie. gibt sie frei. Sie werden sie jedoch persönlich abholen müssen, so viel steht fest.«
»Aber ist das Bild solche Mühe überhaupt wert?« fragte Adam.
»Können Sie mir ungefähr sagen, wieviel es wert ist?«
»Schwierig, genaue Angaben zu machen, ohne es tatsächlich gesehen zu haben«, erklärte Sedgwick und reichte Adam das Dokument zurück.
»Also, wie hoch ist die Mindestsumme, die ich dafür bekommen könnte?«
Mr. Sedgwick runzelte die Stirn. »Zehn«, sagte er, »vielleicht fünfzehn, zwanzig wäre die absolute Höchstgrenze.«
»Zwanzig Pfund!« sagte Adam, unfähig, seine Enttäuschung zu verbergen. »Es tut mir leid, daß ich Ihre Zeit vergeudet habe, Mr. Sedgwick.«
»Aber nein,
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