Archer Jeffrey
Kirchenvorsteher zieht.«
Adam fuhr mit dem Bus bis Hyde Park Corner, sprang ab, als der Richtung Knightsbridge links abbog, lief durch die Fußgängerunterführung und marschierte Piccadilly hinunter zum Ritz. Sotheby’s so hatte er irgendwo gelesen, befand sich in der Bond Street, wenngleich er das Auktionshaus dort nie bewußt gesehen hatte.
Hundert Meter weiter wandte er sich nach links, ging langsamer, um auf beiden Seiten der Straße die Firmenschilder zu studieren, passierte Gucci, Cartier und Asprey und begann sich schon zu fragen, ob ihn vielleicht sein Gedächtnis im Stich gelassen hatte und er nicht lieber gleich im Telefonbuch nachschlagen sollte, als er, nach dem Irish Tourist Board und nach Celine oberhalb eines kleinen Zeitungskiosks gegenüber endlich den goldenen Schriftzug entdeckte.
Adam überquerte die Einbahnstraße und trat durch den Haupteingang neben dem Kiosk. Eingeschüchtert von der ungewöhnlichen Umgebung, kam er sich vor wie ein kleiner Junge am ersten Schultag; er wußte nicht, an wen er sich wenden sollte. Die meisten Leute hasteten an ihm vorbei die Treppe hoch, und er wollte ihnen schon folgen, als Adam – er blickte sich um – einen Mann in langem grünem Mantel mit »Sotheby’s« als gestickte Aufschrift, auf einmal hörte: »In den ersten Stock und dann immer geradeaus, Madam. Die Auktion beginnt in wenigen Minuten.«
»Wo kann ich etwas schätzen lassen?« erkundigte Adam sich bei ihm.
»Den Korridor entlang bis zum Ende geradeaus, Sir, dann sehen Sie linker Hand gleich das Mädchen hinter dem Annahmeschalter«, bellte ihn der Angesprochene mit einer Stimme an, die nur einem ehemaligen Drill-Sergeanten aus Aldershot gehören konnte … An der Annahmestelle erklärte eine alte Dame einem der Mädchen hinter dem Schalter, ihre Großmutter habe ihr die Vase vor einigen Jahren hinterlassen und sie hätte gern gewußt, wieviel wohl das Stück wert sei.
Das Mädchen warf einen raschen Blick auf das Erbstück.
»Könnten Sie bitte in etwa fünfzehn Minuten wiederkommen? Bis dahin hat unser Mr. Makepeace sicherlich Zeit gefunden, sich die Vase einmal anzusehen und kann Ihnen einen ungefähren Schätzwert nennen.«
»Vielen Dank, meine Liebe«, flüsterte die alte Dame erwartungsvoll. Das Mädchen hob die große, üppig verzierte Vase hoch und trug sie nach hinten. Wenige Augenblicke später war sie zurückgekehrt und stand vor Adam.
»Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?«
»Ich weiß nicht so recht«, setzte Adam an. »Ich brauche ein Gutachten über eine Ikone.«
»Haben Sie das Stück mitgebracht, Sir?«
»Nein, es befindet sich zur Zeit noch im Ausland.«
»Können Sie irgendwelche näheren Angaben machen?«
»Nähere Angaben?«
»Name des Künstlers, Datierung, Format. Oder, was noch besser wäre, haben Sie eine Fotografie des Objekts bei sich?«
»Nein«, antwortete Adam hilflos. »Ich kenne nur das Sujet. Aber ich habe ein Dokument, das sich auf das Bild bezieht«, fügte er hinzu. Er reichte ihr den Depotschein, den er schon dem Pastor gezeigt hatte.
»Sehr aufschlußreich ist das nicht gerade«, meinte das Mädchen, während sie die deutsche Abschrift studierte. »Aber ich werde den Leiter unserer Abteilung für griechische und russische Ikonen fragen. Vielleicht kann Mr. Sedgwick Ihnen weiterhelfen.«
»Danke«, sagte Adam zum Mädchen, das bereits den Hörer abnahm.
»Hätte Mr. Sedgwick Zeit, einen Kunden zu beraten?« erkundigte sie sich. Sie lauschte einen Moment, dann legte sie wieder auf.
»Mr. Sedgwick kommt gleich herunter. Wenn Sie bitte einen Augenblick warten wollen.«
»Aber gewiß«, erwiderte Adam, der sich schon fast wie ein Betrüger vorkam. Das Mädchen hatte sich längst dem nächsten Kunden zugewandt. Adam betrachtete während seines Wartens auf Mr. Sedgwick aufmerksam die Bilder an der Wand – Fotos von Kunstobjekten, die bei den letzten Versteigerungen unter den Hammer gekommen waren, so ein großes Gemälde von Picasso mit dem Titel »Trois baigneuses«, das für vierzehntausend Pfund verkauft worden war und, soweit Adam das zu erkennen vermochte, stellte das in leuchtenden Farben gehaltene Ölbild drei an einem Strand tanzende Frauen dar; auf Frauen schloß Adam, weil die Gestalten Brüste hatten, wenn auch nicht dort, wo sie eigentlich hingehörten, nämlich in der Mitte des Oberkörpers. Neben dem Picasso hing ein Degas, ein Mädchen in der Ballettstunde; in dem Fall war das Mädchen eindeutig. Am stärksten fesselte Adam jedoch das
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