Archer Jeffrey
Stahltür Bischoff junior. Auf ein Nicken des alten Herrn steckte der Junior einen Schlüssel in ein Schloß, drehte ihn, und nachdem sein Vater vorgetreten und ein weiteres Schloß geöffnet hatte, stießen die beiden gemeinsam die zweiundzwanzig Zentimeter dicke Tür auf, ohne dann jedoch Anstalten zu machen, den Tresorraum zu betreten.
»Es gehören Ihnen fünf Safes, nämlich Nummer 1721, 1722, 1723, 1724 …«
»Und zweifelsohne auch 1725«, fiel ihm Romanow sarkastisch ins Wort.
»Ganz recht«, sagte Herr Bischoff nur, während er einen Umschlag aus der Tasche zog und hinzufügte: »Er gehört Ihnen, der Schlüssel, den Sie in ihm finden, öffnet alle fünf Fächer.« Romanow nahm das Kuvert entgegen und wandte sich dem gewölbten Raum zu, der offen vor ihm lag. »Zuerst einmal müssen wir das Bankschloß aufsperren«, erklärte Herr Bischoff. »Wollen Sie uns bitte folgen?« Romanow zog den Kopf ein, als er hinter den beiden Herren Bischoff ging. Der Junior öffnete das obere Schloß der fünf Safes, die, drei kleine über zwei großen, einen vollkommenen Würfel bildeten. »Sobald wir den Tresorraum verlassen haben«, sagte der Senior, »sperren wir die Tür hinter uns zu. Wenn Eure Exzellenz wieder heraus möchten, brauchen Sie uns nur durch einen Druck auf den roten Knopf hier an der Seitenwand zu rufen. Ich muß Sie aber darauf aufmerksam machen, daß der Tresorraum um sechs automatisch versperrt wird und vor neun Uhr des nächsten Morgens nicht wieder geöffnet werden kann. Um viertel vor sechs ertönt ein Warnsignal.« Romanow blickte auf die Uhr an der Wand: drei Uhr siebzehn. Er konnte sich nicht vorstellen, daß er zwei Stunden brauchen würde, um nachzusehen, was sich in den fünf Safes befand. Die zwei Herren Bischoff verabschiedeten sich mit einer Verbeugung.
Romanow wartete ungeduldig, bis sich die riesige Tür hinter ihm geschlossen hatte und schaute sich dann, endlich allein, in dem Gewölbe um. Er schätzte, daß etwa zwei- bis dreitausend Fächer in die vier Mauern eingelassen sein mußten, die wie die Wände einer Bibliothek aus Safes wirkten. Vermutlich, überlegte Romanow, befand sich allein in diesem einen Tresorraum mehr an Privatvermögen, als die meisten Länder der Erde an Staatsgeldern besaßen. Er überprüfte die Nummern seiner eigenen Schließfächer und stand vor ihnen wie ein hungriges Waisenkind, dem eine zweite Portion Essen versprochen worden war.
Er entschloß sich, mit einem der kleinen Fächer zu beginnen. Er drehte den Schlüssel und hörte das Schloß klicken. Er zog die dickwandige Schublade heraus: Sie war, wie er feststellte, voller Papiere. Schon bei einem raschen Durchblättern erkannte er, daß es sich um Besitzurkunden für ausgedehnte Ländereien in Böhmen und Bulgarien handelte – einst Millionen wert, heute Besitz sozialistischer Staaten. Mit jedem neuen Dokument kam ihm die alte Redewendung in den Sinn »nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben steht«. Im nächsten Fach fand Romanow Schuldverschreibungen von Firmen, die einst von Seiner Exzellenz Graf Nikolai Alexandrowitsch Romanow geleitet worden waren und zuletzt 1914 einen Gewinn ausgewiesen hatten. Romanow verfluchte das Gesellschaftssystem, in das er hineingeboren worden war, während er sich bereits dem dritten Fach zuwandte, das nur ein einziges Dokument enthielt – das Testament seines Großvaters, der, wie Alex im Nu erkannte, alles seinem Sohn hinterlassen hatte, so daß nun er selbst der rechtmäßige Erbe war von allem
– und von nichts.
Romanow war bestürzt. Er ließ sich auf die Knie nieder, um die beiden größeren Safes zu untersuchen, die jeder geräumig genug schienen, um ein Cello aufnehmen zu können. Nach einem kurzen Zögern öffnete er, zog den riesigen Behälter heraus und lugte gespannt hinein.
Das Fach war leer. Wahrscheinlich stand es seit über fünfzig Jahren leer – außer sein Vater hätte alles herausgenommen, was aber nicht anzunehmen war.
Der Behälter des fünften Safes, den Romanow nach dem Aufsperren fast schon verzweifelt herauszog, war in zwölf gleich große Fächer unterteilt. Romanow wollte seinen Augen nicht trauen, als er den Deckel abgenommen hatte: Da lagen vor ihm Edelsteine, so groß, so mannigfaltig und farbenprächtig, daß ihr Anblick wohl nur reichen Königen nicht den Atem verschlagen hätte. Zärtlich fast hob er den Deckel des nächsten Fachs – unglaublich exquisite Perlen einer einreihigen Kette, die selbst das unscheinbarste Mädchen in
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