Archer Jeffrey
sie sich mit dem Kontrabaß mühsam durch den Mittelgang zwängte. Adam allerdings war auf diese Weise gegen alle Blicke von der anderen Straßenseite aus abgeschirmt. Am liebsten hätte er sich übergeben.
Er ließ sich auf den Platz neben Robin fallen; der Kontrabaß lehnte zwischen ihnen.
»Welcher ist es?« fragte sie flüsternd.
»Der in der Chauffeursuniform.«
Robin warf rasch einen Blick aus dem Fenster. »Er mag vielleicht ein schlechter Mensch sein, aber er sieht verdammt gut aus«, stellte sie ohne jegliche Logik fest. Adam sah sie ungläubig an. Robin lächelte reumütig.
»Wir sind vollzählig!« rief ein Mann von vorne. »Ich habe zweimal durchgezählt. Allem Anschein nach haben wir sogar einen zuviel.«
O Gott, ging es Adam durch den Kopf, er wird mich aus dem Bus werfen!
»Meinen Bruder«, brüllte Robin. »Er fährt bloß ein Stückchen mit uns.«
»Ach so, dann ist ja alles in Ordnung«, sagte der Manager.
»Los, fahren wir!« Er wandte sich zum Fahrer.
»Er schaut jetzt zum Bus her«, stellte Robin fest. »Aber ich glaube nicht, daß er dich sehen kann. Nein, keine Sorge, jetzt konzentriert er sich wieder ganz auf den Hoteleingang.«
»Ich wußte gar nicht, daß Sie einen Bruder haben«, sagte der Manager, welcher plötzlich neben ihnen stand. Der Bus setzte sich langsam in Bewegung und verließ den Platz vor dem Hotel.
»Ich auch nicht – bis heute morgen«, murmelte Robin. Sie sah noch immer zum Fenster hinaus. Dann drehte sie sich um und blickte ihren Chef an. »Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, daß er vielleicht zur selben Zeit in der Schweiz sein wird wie das Orchester. Hoffentlich macht das keine Schwierigkeiten?«
»Aber nein, gar nicht«, antwortete der Manager.
»Adam, das ist Stephen Grieg, unser Manager.«
»Sind Sie auch Musiker?« erkundigte sich Stephen und gab Adam die Hand.
»Nein, ehrlich gesagt, es ist mir nie gelungen, irgendein Instrument zu erlernen.«
»Er hat überhaupt kein Gehör«, mischte sich Robin ein. »Genau wie mein Vater. Nein, Adam arbeitet in der Reifenbranche«, fuhr sie sichtlich mit großem Vergnügen fort.
»Ach, tatsächlich? Bei welcher Firma arbeiten Sie denn?« erkundigte sich Stephen.
»Bei Pirelli«, erwiderte Adam, der die erste Reifenmarke nannte, die ihm einfiel.
»Pirelli, das ist doch die Firma, die diese phantastischen Kalender herstellt?«
»Was ist denn so Besonderes an diesen Kalendern?«, fragte Robin unschuldig. »Wenn Sie einen haben wollen, wird Adam Ihnen sicher einen besorgen.«
»Oh, das wäre wunderbar«, sagte Stephen. »Hoffentlich macht es Ihnen nicht zu viele Umstände.«
»Überhaupt nicht!« antwortete Robin und beugte sich verschwörerisch zu Adam hinüber. »Übrigens – um Sie in ein kleines Familiengeheimnis einzuweihen: In der Zentrale geht das Gerücht um, daß Adam bald in den Vorstand aufrückt. Das jüngste Vorstandsmitglied in der Firmengeschichte, verstehen Sie?«
»Das ist ja großartig!« antwortete der Manager und faßte den neuesten Zuwachs des Orchesters genauer ins Auge.
»Wohin soll ich den Kalender denn schicken?« fragte Adam.
»Am besten direkt an das Royal Philharmonie Orchestra.«
»Möglichst in einem neutralen Kuvert, was?« sagte Robin.
»Und mach dir keine Gedanken wegen des Jahres. Es sind schließlich nicht die Monats- und Tageszahlen, die sein Blut in Wallung bringen …«
»Um wieviel Uhr kommen wir in Frankfurt an, Stephen?« rief von vorn eine Stimme.
»Ich muß Sie jetzt allein lassen«, sagte der Manager. »Danke im voraus für den Kalender. Robin hat natürlich recht – das Jahr ist völlig gleichgültig.«
»Wer hat dir« – Adam blieb unwillkürlich beim Du – »bloß beigebracht, das Blaue vom Himmel zu lügen?« fragte Adam, sobald der Manager außer Hörweite war.
»Mein Vater«, antwortete Robin. »Du hättest ihn hören sollen, wenn er in Hochform war! Eine Klasse für sich! Das Problem war nur, daß meine Mutter jedes Wort glaubte.« »Er wäre heute sehr stolz auf dich gewesen.«
»Nun, da wir herausgefunden haben, womit du deinen Lebensunterhalt verdienst«, sagte Robin, »dürfen wir vielleicht auch erfahren, was der nächste Punkt auf der Tagesordnung des jüngsten Direktors von Pirelli ist.«
Adam lächelte. »Ich habe den Versuch unternommen, Rosenbaums Gedankengänge nachzuvollziehen. Ich glaube, daß er noch mindestens eine, höchstens aber zwei Stunden in Genf bleiben wird. Mit etwas Glück hole ich somit einen Vorsprung von achtzig Kilometern heraus.«
Er entfaltete die
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