Archer Jeffrey
die Bombe in Kapstadt explodierte?« fragte Tara ihren Vater.
Koeter hatte keine Bombe in Kapstadt erwähnt. Würde er sich denn nie entspannen können?
6
Er wies seinen Chauffeur an, ihn zur Nationalgalerie zu fahren. Als der Wagen vom Eingang des Weißen Hauses losfuhr, öffne
te ein Beamter des uniformierten Secret Service im Wachhaus das
Eisentor und winkte den Fahrer durch. Der Chauffeur bog auf den
State Place ein, fuhr zwischen den South Grounds und der Ellipse
hindurch und am Handelsministerium vorüber.
Vier Minuten später hielt der Wagen am Osteingang der Nationalgalerie. Der Fahrgast schritt rasch über das Kopfsteinpflaster
der Einfahrt und stieg die Steintreppe hinauf. Auf der obersten
Stufe blickte er über die Schulter zu der riesigen Henry-MooreSkulptur auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes und hielt
gleichzeitig verstohlen Ausschau, ob jemand ihm gefolgt war. Er
konnte nicht sicher sein, aber er war ja auch kein Profi. Er betrat das Gebäude und stieg die breite Marmortreppe hinauf,
die zu den Galerien im ersten Stock führte, wo er in seiner Jugend
ungezählte Stunden zugebracht hatte. Viele Schulkinder schauten
sich in den riesigen Räumen um – nicht ungewöhnlich für diese
Zeit an einem Wochentag. In der Galerie 71 blickte er auf die
vertrauten Homers, Bellows und Hoppers. Hier fühlte er sich zu
Hause. Im Weißen Haus kam er sich stets wie ein Fremder vor. Er
schlenderte weiter zur Galerie 66, um wieder einmal Augustus
Saint-Gaudens Memorial to Shaw and the 54th Massachusetts
Regiment zu bewundern. Als er diesen schweren, lebensgroßen
Fries zum erstenmal gesehen hatte, war er wie verzaubert gewesen
und hatte mehr als eine Stunde wie gebannt zu ihm aufgeblickt.
Heute durfte er sich nur ein paar Sekunden dafür gönnen. Weil er es nicht lassen konnte, immer wieder stehenzubleiben,
brauchte er eine weitere Viertelstunde, um die Rotunde zu erreichen, das Zentrum des Gebäudes. Er schritt rasch an der Merkurstatue vorbei und die Treppe hinunter, rannte durch die Buchhandlung und zurück, dann eine weitere Treppe hinunter und einen
unterirdischen Gang entlang, bis er schließlich zum Ostflügel gelangte. Er stieg eine Treppe hinauf, ging unter dem großen Mobile von Calder weiter und durch die Drehtür wieder hinaus auf das Kopfsteinpflaster der Einfahrt. Inzwischen war er ziemlich sicher, daß niemand ihm folgte. Er setzte sich in das vorderste der wartenden Taxis und schaute aus dem Fenster zur gegenüberliegenden
Seite des Platzes, wo sein Wagen mit dem Chauffeur stand. »A.V.s an der New York Avenue«, wies er den Fahrer an. Das Taxi bog nach rechts auf die Pennsylvania Avenue ab und
fuhr dann die Sixth Street nordwärts. Er bemühte sich, seine Gedanken zu sammeln, und war froh, daß der Fahrer offenbar nicht
vom redseligen Typ war oder gar versuchte, seine Meinung über
die Regierung oder den Präsidenten an den Mann zu bringen. Nachdem sie nach links auf die New York Avenue eingebogen
waren, fuhr das Taxi sofort langsamer. Er reichte dem Fahrer einen
Zehndollarschein, noch ehe sie angehalten hatten; dann stieg er aus
und schlug die Tür des Wagens zu, ohne auf das Wechselgeld zu
warten.
Er ging unter einer rot-weiß-grünen Markise hindurch, die keinen Zweifel an der Abstammung des Besitzers erlaubte, und öffnete die Tür. Er brauchte ein paar Sekunden, bis seine Augen sich an
das Licht gewöhnt hatten – genauer gesagt, an dessen Nichtvorhandensein. Schließlich stellte er erleichtert fest, daß das Lokal
leer war, abgesehen von einem einsamen Gast, der am hinteren
Ende des Raums ein halbleeres Glas Tomatensaft vor sich stehen
hatte. Der elegante, gutgeschnittene Anzug verriet nicht, daß sein
Träger arbeitslos war. Der Mann besaß noch immer die Statur
eines Sportlers, doch eine Glatze ließ ihn älter erscheinen, als man
seinem Geburtsdatum in der Akte nach hätte vermuten können.
Ihre Blicke trafen sich, und der Mann nickte. Er ging zu dem anderen hinüber und setzte sich zu ihm an den Tisch.
»Ich bin Andy…«, begann er.
»Das Rätsel besteht nicht darin, wer Sie sind, Mr. Lloyd, sondern weshalb der Stabschef des Präsidenten mit mir reden will«,
entgegnete Chris Jackson.
»Und was ist Ihr Spezialgebiet?« fragte Stuart McKenzie.
Maggie blickte ihren Mann rasch an. Ihr war durchaus bewußt, daß
ihm Fragen über sein Berufsleben nicht willkommen waren. Connor erkannte, daß Tara ihre neueste Eroberung nicht hatte
warnen können, den Beruf ihres Vaters gar nicht erst
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