Archer Jeffrey
hinzugezogen?«
»Nicht unbedingt. Die Polizei des Gastlandes hat wahrscheinlich
Erfahrung in solchen Dingen, und nicht viele Firmen begrüßen
eine Einmischung von außerhalb, schon gar nicht von den Vereinigten Staaten. Ich tue häufig nichts weiter, als in die betreffende
Hauptstadt zu fliegen und private Ermittlungen vorzunehmen.
Falls ich schon einmal in diesem Land gewesen bin und Beziehungen zur dortigen Polizei aufgebaut habe, informiere ich sie unter
Umstanden von meiner Anwesenheit. Aber selbst dann würde ich
warten, bis die Polizei mich offiziell um Unterstützung bittet.« »Und wenn sie es nicht tut?« fragte Tara, und Stuart wunderte
sich, daß sie ihrem Vater diese Frage bisher offenbar noch nie
gestellt hatte.
»Dann muß ich es allein angehen«, erwiderte Connor, »was
mein Vorgehen erschwert.«
»Aber wenn die Polizei nicht weiterkommt, warum sollte sie
dann nicht über Ihr Angebot erfreut sein?« fragte Stuart. »Weil es durchaus nicht selten vorkommt, daß die Polizei auf die
eine oder andere Weise in der Sache mit drinsteckt.«
»Ich weiß nicht, ob ich das richtig verstehe«, gestand Tara. »Die Polizei des betreffenden Landes könnte einen Teil des Losegelds erhalten«, meinte Stuart, »und wäre deshalb nicht erfreut über eine Einmischung von außen, vor allem wenn die Beamten der Meinung sind, daß die ausländische Firma einen Aderlaß
durchaus verkraften kann.«
Connor nickte. Es wurde immer offensichtlicher, weshalb Stuart
seine Stelle bei einer der angesehensten Anwaltskanzleien in Sydney bekommen hatte.
»Was tun Sie, wenn Sie vermuten, daß die Polizei sich einen Anteil unter den Nagel reißt?« fragte Stuart.
Tara wünschte sich allmählich, sie hätte Stuart gewarnt, mit seinen Fragen nicht zu weit zu gehen, obwohl sie mehr und mehr zu
dem Ergebnis kam, daß Australier überhaupt nicht wußten, was
»zu weit gehen« bedeutete.
»Dann muß man selbst Unterhandlungen mit den Entführern anstreben. Denn falls der Mandant getötet wird, ist damit zu rechnen,
daß die darauffolgende polizeiliche Untersuchung nicht gerade
gründlich ausfällt, so daß es ziemlich unwahrscheinlich ist, daß die
Kidnapper jemals gefaßt werden.«
»Und wenn Sie beschlossen haben, als Unterhändler zu fungieren? Wie sieht dann Ihr erster Schritt aus?«
»Nehmen wir mal an, der Entführer verlangt eine Million Dollar
– Kidnapper fordern immer eine runde Summe, für gewöhnlich in
US-Dollar. Jeder offizielle Unterhändler ist verpflichtet, den Preis
zu drücken, ohne dabei die Kidnapper zu verunsichern. Und für
mich ist es in einem solchen Fall das Wichtigste, dafür zu sorgen,
daß dem Firmenangehörigen nichts zustößt. Aber wenn ich das
Gefühl habe, mein Mandant könnte freikommen, ohne daß seine
Firma auch nur einen Penny bezahlen muß, lasse ich es gar nicht
erst bis zur Unterhandlung kommen. Denn je mehr bezahlt wird,
desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß der Kidnapper ein
paar Monate später noch einmal eine Entführung versucht,
manchmal mit demselben Opfer.«
»Wie oft treten Sie als Unterhändler auf?«
»In ungefähr fünfzig Prozent der Fälle. Wenn man an dem Punkt angelangt ist, an dem man erkennt, ob man es mit Profis zu tun hat oder nicht. Je länger man die Unterhandlungen hinziehen kann, desto wahrscheinlicher ist es bei Amateuren, daß sie Angst davor kriegen, geschnappt zu werden. Außerdem kommt es bei Amateuren häufig vor, daß sie Sympathie für den Entführten entwickeln, was es ihnen nahezu unmöglich macht, ihren ursprünglichen Plan zu Ende zu fuhren. Als Terroristen die amerikanischen Botschaftsangehörigen in Peru als Geiseln nahmen, kam es sogar so weit, daß Geiselnehmer und Geiseln eine Schachmeisterschaft austrugen.
Übrigens haben die Terroristen gewo nnen.«
Alle drei lachten, und Maggie entspannte sich ein wenig. »Sind es die Profis oder die Amateure, die Ohren mit der Post
schicken?« fragte Stuart mit schiefem Lächeln.
»Ich bin froh, daß nicht ich die Versicherungsgesellschaft vertreten mußte, die damals die Unterhandlungen für Mr. Gettys Enkel
führte. Aber selbst wenn ich es mit einem Profi zu tun habe, habe
ich noch einige Trümpfe im Ärmel.« Connor war nicht aufgefallen, daß seine Frau und seine Tochter ihren Kaffee hatten kalt
werden lassen.
»Bitte, erzählen Sie uns mehr«, sagte Stuart.
»Der Großteil der Entführungen wird von Tätern begangen, für
die Kidnapping etwas Einmaliges oder zumindest Neues ist. Selbst
wenn sie in anderen
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