Archer Jeffrey
die Spur von Entscheidungsfreiheit gehabt.
Die erste Begegnung hatte auf Jacksons Bitte hin stattgefunden und war offensichtlich nicht als »Zeitverschwendung« betrachtet worden, denn Sergej lief noch auf heilen Beinen herum. Jedes nachfolgende Treffen war nach einer regelrechten Vorladung von Romanow erfolgt und hielt Jackson ständig auf dem laufenden.
Der Zar sank in seinen Ohrensessel zurück, und Jackson sah das übliche Glas mit farbloser Flüssigkeit auf dem Tischchen neben ihm. Er erinnerte sich nur zu gut an die Reaktion des Greises, als er sich einmal erlaubt hatte, eine Frage zu stellen; deshalb wartete er ab, bis Romanow sprach.
»Es wird Sie freuen zu hören, Mr. Jackson, daß alles Notwendige für die Flucht Ihres Freundes in die Wege geleitet wurde – von einem einzigen Problem abgesehen, das noch gelöst werden muß. Jetzt warten wir nur noch darauf, daß Mr. Fitzgerald unseren Bedingungen zustimmt. Sollte er sich nicht dazu in der Lage sehen, kann ich nicht mehr verhindern, daß er morgen um acht Uhr hingerichtet wird.« Nicht die geringste Gefühlsregung war seiner Stimme zu entnehmen. »Gestatten Sie mir, Ihnen zu erklären, was wir bisher geplant haben, falls Mr. Fitzgerald auf die Bedingungen eingeht. Da Sie früher Stellvertretender Direktor der CIA waren, bin ich sicher, daß Ihre Beobachtungen sich für die Sache als nützlich erweisen werden.«
Der alte Herr drückte auf einen Knopf in der Armlehne seines Sessels, und sofort schwang die Salontür auf. Alexij Romanow trat ein.
»Ich glaube, Sie kennen meinen Sohn«, sagte der Zar.
Jackson blickte kurz auf den Mann, der ihn bei jeder Fahrt zum Winterpalast begleitete, aber kaum je einen Laut von sich gab. Jackson nickte.
Der junge Mann schob einen wundervollen Gobelin aus dem vierzehnten Jahrhundert zur Seite, der die Schlacht von Flandern darstellte. Ein riesiger Fernseher kam zum Vorschein. Der flache silbrige Schirm wirkte in einer so prachtvollen Umgebung ein wenig deplaziert – aber nicht mehr als der Besitzer und dessen Adlatus.
Das erste Bild, das auf dem Schirm erschien, war eine Aufnahme des Kruzifixgefängnisses von außen.
Alexij Romanow deutete auf den Haupteingang. »Zerimskij wird um sieben Uhr fünfzig im Gefängnis erwartet. Er wird in der dritten von sieben Limousinen sitzen und durch ein Seitentor hineinfahren. Hier«, er wies mit der Hand auf den Bildschirm. »Wladimir Boltschenkow wird sich ihm dort anschließen und ihn zum Haupthof begleiten, wo die Hinrichtung stattfinden soll. Um sieben Uhr zweiundfünfzig…«
Der junge Romanow beschrieb Jackson den Plan minutiös. Als er zu Connors Flucht kam, ging er noch weiter ins Detail. Jackson überhörte dabei nicht, daß ihn das eine, noch ungelöste Problem nicht bekümmerte. Offenbar war er überzeugt, daß seinem Vater vor morgen früh schon noch eine Lösung einfallen würde. Als Alexij geendet hatte, schaltete er das Fernsehgerät aus, zog den Gobelin wieder davor und verbeugte sich flüchtig vor seinem Vater. Dann verließ er den Salon ohne ein weiteres Wort.
Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, fragte der Greis: »Haben Sie irgendwelche Bemerkungen?«
»Eine oder zwei«, erwiderte Jackson. »Gestatten Sie mir, zuerst zu betonen, wie sehr mich der Plan beeindruckt, und ich glaube, er hat gute Erfolgsaussichten. Es ist offensichtlich, daß Sie fast jede Möglichkeit einkalkuliert haben – vorausgesetzt natürlich, daß Connor mit Ihren Bedingungen einverstanden ist. Und in dieser Beziehung, das muß ich wiederholen, habe ich nicht das Recht, für ihn zu sprechen.«
Romanow nickte.
»Aber ein Problem haben Sie immer noch.«
»Hätten Sie eine Lösung?« fragte der Greis.
»Ja«, antwortete Jackson.
Boltschenkow brauchte nahezu eine Stunde, Romanows Plan in fast allen Einzelheiten darzulegen. Dann überließ er es Connor, sich zu entscheiden. Er mußte nicht daran erinnert werden, daß er nur begrenzte Zeit dafür hatte: Zerimskij wurde in fünfundvierzig Minuten auf dem Hof des Kruzifixgefängnisses erwartet.
Connor lag auf seiner Pritsche. Die Bedingungen hätten nicht expliziter festgelegt werden können. Aber selbst wenn er darauf einging und seine Flucht erfolgreich verlief, war er gar nicht so sicher, daß er seine Rolle bei diesem Deal auch wirklich würde spielen können. Und falls nicht, würden sie ihn umbringen. So einfach war das – nur daß Boltschenkow keinen Zweifel daran gelassen hatte, daß ihn dann kein so schneller Tod
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