Archer Jeffrey
geben. Die Beliebtheit hatte weiter nachgelassen.
Auch wenn es Gutenburg gewesen war, der ihm das Messer in den Rücken gerammt hatte, bestand doch kein Zweifel daran, von wem dieser Auftrag gekommen war. Dexter hatte es genossen, Lady Macbeth zu spielen. Der Todgeweihte würde mit dem Bewußtsein ins Grab gehen, daß wenige seiner Landsleute je ahnten, welches Opfer er gebracht hatte. Aber so machte das alles für ihn einen tieferen Sinn.
Es würde keinen feierlichen Abschied von ihm geben; keinen Sarg, der mit der amerikanischen Flagge bedeckt war; keine Freunde und Verwandten am Grab, die hören würden, wie der Priester ein Loblied auf seine Opferbereitschaft und seinen Patriotismus sang. Keine Marineinfanteristen, die stolz ihre Gewehre hoben; keinen Einundzwanzig-Schuß-Salut; keine zusammengelegte Flagge, die im Namen des Präsidenten seinen nächsten Angehörigen überreicht wurde.
Nein. Er war dazu bestimmt, lediglich ein weiterer von Tom Lawrence’ unbesungenen Helden zu sein.
Alles, was ihm noch blieb, war der Tod in einem ungeliebten und lieblosen Land, ein kahlrasierter Schädel, eine eintätowierte Nummer am Handgelenk und ein anonymes Grab.
Warum hatte er diese Entscheidung getroffen, die dem üblicherweise völlig gleichgültigen Polizeichef ein Gefühl der Bewunderung abgerungen hatte? Die Zeit hatte nicht gereicht, Boltschenkow von den Geschehnissen in Vietnam zu erzählen, aber dort waren die Würfel unwiderruflich gefallen.
Vielleicht hätte er sich damals, vor so langer Zeit in einem anderen fernen Land, dem Exekutionskommando stellen sollen. Aber er hatte überlebt. Diesmal aber gab es niemanden, der ihn im letzten Moment retten könnte. Und jetzt war es zu spät, es sich anders zu überlegen.
Der russische Präsident erwachte an diesem Morgen in schlechtester Laune. Der erste, an dem er sie ausließ, war der Koch. Mit heftiger Geste fegte er sein Frühstück auf den Boden und brüllte: »Ist das etwa die Gastlichkeit, die man mir in Leningrad entgegen bringt?«
Er stürmte aus dem Zimmer. In seinem Büro legte ihm ein nervöser Beamter Dokumente zur Unterschrift vor, die der Polizei das Recht gaben, Bürger willkürlich zu verhaften. Das verbesserte Zerimskijs schlechte Laune aber kein bißchen. Er wußte, daß der einzige Erfolg dieses Gesetzes darin bestehen würde, ein paar Taschendiebe, Dealer und unbedeutende kleine Gauner von der Straße zu entfernen. Zerimskij aber wollte den Kopf des Zaren auf einem silbernen Tablett. Wenn der Innenminister ihn weiterhin so enttäuschte, würde er ihn wahrscheinlich durch eine andere Marionette ersetzen müssen.
Bis sein Stabschef eintraf, hatte Zerimskij das Todesurteil für weitere hundert Männer unterschrieben, deren einziges Verbrechen darin bestanden hatte, Tschernopow bei dessen Wahlkampf zu unterstützen. In Moskau ging bereits das Gerücht um, daß der ehemalige Premierminister auszuwandern beabsichtigte. An dem Tag, da er das Land verließ, würde Zerimskij Tausende solcher Urteile unterzeichnen und jeden ins Gefängnis werfen lassen, der Tschernopow je auch nur eine Dienstleistung erwiesen hatte.
Er warf seinen Füllfederhalter auf den Schreibtisch. All das hatte er in knapp einer Woche erreicht. Der Gedanke daran, was er in einem Monat, in einem Jahr bewirken konnte, hob seine Laune ein wenig.
»Ihre Limousine steht bereit, Herr Präsident«, meldete ein verängstigter Beamter, dessen Gesicht Zerimskij nicht sehen konnte. Er lächelte bei dem Gedanken an den zweifellosen Höhepunkt des heutigen Tages. Er hatte sich auf den Morgen im Kruzifixgefängnis gefreut wie andere sich auf einen Abend in der Oper.
Der Präsident verließ sein Büro und schritt den langen Marmorkorridor des frisch beschlagnahmten Büroblocks entlang zur offenen Tür. Seine Begleiter eilten ihm voraus. Auf der obersten Stufe blieb er kurz stehen und schaute hinunter zu den auf Hochglanz polierten Limousinen. Er hatte die zuständigen Parteifunktionäre angewiesen, dafür zu sorgen, daß er stets eine Limousine mehr hatte als jeder bisherige Präsident.
Er stieg in den Fond des dritten Wagens und blickte auf die Uhr: dreiundvierzig Minuten nach sieben. Die Polizei hatte die Straße bereits vor einer Stunde abgesperrt, damit die Autokolonne von keinen anderen Fahrzeugen behindert würde. Den Verkehr aufzuhalten macht den Bürgern klar, daß der Präsident in der Stadt ist, hatte Zerimskij seinem Stabschef erklärt.
Die Verkehrspolizei schätzte, daß die Fahrt, für
Weitere Kostenlose Bücher