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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Elfte Gebot
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Gefangene sich auf dem Hof um. Er sah die fröstelnde Menge, von der kaum einer sich zu rühren wagte aus Angst, sein Los teilen zu müssen. Sein Blick schweifte zu dem immer noch weinenden Jungen. Hätte er ein Testament machen können, hätte er alles diesem Kind vererbt. Flüchtig sah er zum Galgen. Dann schaute er dem Präsidenten ms Gesicht. Ihre Blicke begegneten sich. Obwohl er Todesangst hatte, wich der Gefangene Zerimskijs Augen nicht aus. Er war entschlossen, ihm nicht die Befriedigung zu verschaffen, sich seine Angst anmerken zu lassen. Hätte der Präsident allerdings statt ins Gesicht auf die nasse Hose des Delinquenten gestarrt, wäre ihm die Vortäuschung der Standhaftigkeit wohl aufgefallen.
    Nachdem der Offizier seinen Auftrag ausgeführt hatte, rollte er die Urkunde mit dem Urteilsspruch zusammen und marschierte davon. Dies war das Zeichen für zwei der Helfer, den Gefangenen an den Armen zu packen und das Gerüst hinaufzuführen.
    Er schritt scheinbar ruhig an dem Präsidenten vorbei zum Galgen. Auf der ersten hölzernen Stufe blickte er rasch zur Turmuhr. Drei Minuten vor acht. Wenige Menschen wissen je, wie lange sie noch zu leben haben, dachte er. Wäre es durch reine Willenskraft möglich gewesen, hätte er die Uhr bereits jetzt zum Schlagen gebracht. Er hatte achtundzwanzig Jahre gewartet, um seine Schuld zurückzubezahlen. Jetzt, in diesen allerletzten Minuten, kehrte die Erinnerung klar und deutlich zurück.
    Es war ein heißer, feuchter Maimorgen in Nan Dinh gewesen Der Vietcong wollte ein Exempel statuieren, und da er der ranghöchste Offizier war, hatte man ihn als Opfer auserkoren. Ein anderer Offizier, ein junger Lieutenant, war daraufhin vorgetreten und hatte sich freiwillig gemeldet, statt seiner an die Wand gestellt zu werden. Und als der Feigling, der er gewesen war, hatte er sich nicht dagegen verwahrt. Der Vietcong-Offizier hatte gelacht und das Angebot angenommen, dann aber entschieden, daß beide Männer am nächsten Morgen vom Exekutionskommando in den Tod geschickt werden sollten.
    In der Nacht war der mutige junge Lieutenant zu ihm an die Pritsche gekommen und hatte darauf gedrängt, einen Fluchtversuch zu unternehmen. Eine zweite Chance würden sie nicht bekommen. Die Sicherheitsvorkehrungen im Lager waren lasch, denn im Norden lagen hundert Meilen Dschungel, durchsetzt mit Stützpunkten des Vietcong, und im Süden erstreckte sich fünfundzwanzig Meilen unüberwindbarer Sumpf. Mehrere Männer hatten auf dieser Route bereits ihr Glück versucht, doch es hatte sie verlassen.
    Der Lieutenant erklärte, er würde lieber das Risiko eingehen, im Sumpf zu sterben, als sich dem sicheren Tod vor dem Exekutionskommando zu stellen. Als er sich in die Nacht hinausstahl, hatte der Captain sich ihm widerstrebend angeschlossen.
    Bei Sonnenaufgang, wenige Stunden später, war das Lager immer noch in Sichtweite, und sie konnten über den stinkenden, von Stechmücken verseuchten Sumpf hinweg hören, wie die Wächter lachten und auf sie anlegten. Sie waren im sumpfigen Wasser untergetaucht, doch schon nach wenigen Minuten mußten sie zum Luftholen wieder hoch, mußten sich weiter voranplagen. Endlich, nach dem längsten Tag seines Lebens, hatte die Dunkelheit der Nacht sich herabgesenkt. Der Captain hatte den Lieutenant angefleht, ohne ihn weiterzugehen, doch der hatte sich geweigert.
    Am Ende des zweiten Tages wünschte der Captain, er hätte sich dem Exekutionskommando der Vietcong gestellt, statt in diesem gottverlassenen Sumpf in einem gottverlassenen Land sterben zu müssen. Elf Tage und zwölf Nächte hatten sie nichts zu essen und überlebten nur, weil sie das Regenwasser tranken; es regnete schier endlos und sintflutartig. Am zwölften Morgen erreichten sie trokkenes Land, und er war vor Krankheit und Erschöpfung im Fieberwahn zusammengebrochen. Später erfuhr er, daß der Lieutenant ihn vier Tage lang durch den Dschungel geschleppt und in Sicherheit gebracht hatte. Seine nächste Erinnerung war, daß er in einem Feldlazarett erwachte.
    »Seit wann bin ich hier?« fragte er die Schwester, die ihn pflegte.
»Seit sechs Tagen«, antwortete sie. »Sie haben Glück, daß Sie noch leben.«
»Und mein Freund?«
»Ist seit zwei Tagen auf den Beinen. Er hat heute morgen schon einmal nach Ihnen gesehen.«
Er war wieder eingeschlafen, und als er erwachte, bat er die Schwester um Papier und Bleistift. Den Rest des Tages verbrachte er damit, in seinem Lazarettbett sitzend, die Empfehlung für den

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