Archer Jeffrey
leisten hervorragende Arbeit, Dick.« Ihm war nicht ganz klar, worin Armstrongs Arbeit eigentlich bestand, doch war ihm nicht entgangen, daß die Spesen des jungen Captains auf mehr als zwanzig Pfund die Woche gestiegen waren.
Dick erzählte Charlotte vom Lob des Colonels. Doch wenngleich er sich merklich darüber freute, spürte Charlotte, daß ihn sein Job bereits zu langweilen begann. Der Telegraf hatte nun fast so hohe Verkaufszahlen wie Der Berliner. Die Stabsoffiziere in den drei Westsektoren freuten sich stets, Captain Armstrong in ihren Clubs begrüßen zu dürfen – schließlich brauchte man ihm bloß irgendeine Neuigkeit ins Ohr zu flüstern, wenn man wollte, daß sie am nächsten Tag in der Zeitung stand. Dies hatte zur Folge, daß Dick stets über einen Vorrat an kubanischen Zigarren verfügte, Charlotte und Sally an Nylonstrümpfen, und Peter Wakeham an Gordon’s Gin; selbst die Verkaufsburschen des Telegraf hatten so viel Wodka und Zigaretten, daß sie nebenbei auf dem Schwarzmarkt damit handeln konnten.
Dennoch war Dick unzufrieden, da es mit seiner eigenen Karriere offenbar nicht weiterging. Obwohl oft genug von einer Beförderung die Rede gewesen war, schien in dieser Stadt nichts daraus zu werden; es gab hier viel zu viele Majors und Colonels, von denen die meisten bloß herumsaßen und darauf warteten, daß man sie nach Hause schickte.
Dick sprach mit Charlotte über die Möglichkeit, nach England zurückzukehren – vor allem, seit Großbritanniens neugewählter Premierminister, Clement Attlee, die Soldaten ersucht hatte, so rasch wie möglich heimzukommen, da viele unbesetzte Posten und Stellen auf sie warteten. Trotz ihres beinahe luxuriösen Lebens in Berlin schien Charlotte von dieser Idee angetan zu sein und ermutigte Dick, seine baldige Entlassung aus der Armee zu beantragen. Am nächsten Tag ersuchte er um ein Gespräch mit dem Colonel.
»Möchten Sie das wirklich?« fragte Oakshott. »Sind Sie sicher?«
»Jawohl, Sir«, antwortete Dick. »Jetzt, da alles wie am Schnürchen läuft, ist Schultz durchaus imstande, die Zeitung ohne meine Unterstützung weiterzuführen.«
»Wenn Sie meinen. Ich werde versuchen, den Vorgang zu beschleunigen.«
Einige Stunden später hörte Armstrong zum erstenmal den Namen Klaus Lauber – und nahm dies zum Anlaß, den Vorgang wieder zu verzögern.
Als Dick am Vormittag dieses Tages die Druckerei aufsuchte, berichtete ihm Schultz, daß sie zum erstenmal mehr Exemplare verkauft hatten als Der Berliner , und daß es vielleicht angebracht wäre, sich zu überlegen, ob sie nicht auch ein Sonntagsblatt herausbringen sollten.
»Ich wüßte nicht, was dagegen spricht«, entgegnete Dick ein wenig gelangweilt.
»Ich wünschte nur, wir könnten den gleichen Preis wie vor dem Krieg verlangen.« Schultz seufzte. »Bei unseren Verkaufszahlen könnten wir riesige Gewinne machen. Sie können es sich vielleicht nicht vorstellen, aber damals war ich ein wohlhabender, erfolgreicher und angesehener Mann.«
»Bald werden Sie’s vielleicht wieder sein«, meinte Armstrong. »Und schneller, als Sie glauben«, fügte er hinzu und blickte durch das schmutzige Fenster auf den Bürgersteig, über den Scharen deprimiert aussehender Passanten schlurften. Er wollte Schultz gerade erklären, daß er die Absicht habe, ihm die alleinige Verantwortung für den Telegraf zu überlassen und nach England zurückzukehren, als der Deutsche erklärte: »Ich bin mir nicht sicher, ob das jemals wieder möglich ist.«
»Wieso nicht?« Armstrong blickte ihn verwundert an. »Der Zeitungsverlag gehört Ihnen, und jeder weiß, daß in Kürze einige Beschränkungen aufgehoben und auch deutsche Staatsbürger wieder Hauptaktionäre werden können.«
»Das mag ja sein, Captain Armstrong, aber bedauerlicherweise gehören mir keine Anteile der Gesellschaft mehr.«
Armstrong stutzte und wählte seine Worte mit Bedacht. »Tatsächlich? Warum haben Sie die Anteile verkauft?« Er blickte weiterhin aus dem Souterrainfenster.
»Ich habe sie nicht verkauft«, erwiderte Schultz. »Ich mußte sie abgegeben.«
»Ich fürchte, das verstehe ich nicht ganz.« Armstrong drehte sich zu ihm um.
»Eigentlich ist es ganz einfach. Nach der Machtergreifung hat Hitler ein Gesetz erlassen, das Juden den Besitz von Zeitungsverlagen untersagte. Also war ich gezwungen, meine Anteile jemandem zu überschreiben.«
»Und wem gehört Der Telegraf jetzt?« erkundigte sich Armstrong.
»Meinem alten Freund Klaus Lauber«, antwortete
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