Archer Jeffrey
Charlie schüttelte ihm die Hand.
»Danke, Charlie«, sagte Percy und küßte Becky auf beide Wangen. »Ich muß zugeben, ich freue mich riesig, euch wiederzusehen.« Ein Diener reichte ihm einen Whisky Soda. »So, Becky, jetzt mußt du mir alles erzählen, was ihr inzwischen gemacht habt, und daß du mir keine Einzelheiten ausläßt.«
Sie setzten sich zusammen aufs Sofa, während sich Daphne Charlie anschloß, der langsam rundum ging und die großen Porträts begutachtete, die an allen Wänden hingen.
»Percys Vorfahren«, erklärte Daphne. »Alle von zweitklassigen Malern verewigt. Ich würde sie alle miteinander für das Madonnenbild in eurem Salon hergeben.«
»Aber das da bestimmt nicht.« Charlie blieb vor dem zweiten Marquis von Wiltshire stehen.
»Ah ja, der Holbein.« Daphne nickte. »Du hast recht. Aber ich fürchte, von da an ging es bergab.«
»Kann nicht mitreden, M’lady«, sagte Charlie grinsend. »Sie müssen wissen, meine Vorfahren waren nicht so versessen darauf, porträtiert zu werden. Wenn ich’s recht bedenk’, glaub’ ich nicht, daß Holbein für viele Straßenhändler im East End gearbeitet hat.«
Daphne lachte. »Das erinnert mich an was, Charlie. Wo ist dein Cockney-Akzent geblieben?«
»Was ‘ätt’n Sie gern, Marquise? Tomat’n, ein Pfund? Un’ ‘ne ‘albe Pampelmus’? Od’r bloß ‘ne tolle Nacht?«
»So ist es schon besser. Wir wollen uns doch nicht ein paar Abendkurse zu Kopf steigen lassen.«
»Psst!« mahnte Charlie und blickte rasch zu seiner Frau auf dem Sofa. »Becky weiß nichts davon, und ich werde ihr auch nichts sagen, bis …«
»Ich verstehe. Und ich verspreche dir, von mir wird sie nichts erfahren. Ich habe es nicht einmal Percy erzählt.« Auch sie schaute zu Becky, die noch tief im Gespräch mit ihm versunken war. »Übrigens, wann wird es soweit sein, bis …?«
»In zehn Jahren, schätze ich«, wartete Charlie nun mit seiner lang vorbereiteten Antwort auf.
»Oh, und ich dachte immer, so was dauert gewöhnlich neun Monate.« Daphne lächelte. »Außer natürlich bei Elefanten.«
Als ihm klar wurde, daß er ihre Frage mißverstanden hatte, mußte Charlie grinsen. »Ungefähr noch zwei Monate, würde ich sagen. Tommy, wenn’s ein Junge ist, und Debbie, wenn’s ein Mädchen ist. So könnte mit etwas Glück Becky den idealen Spielgefährten für Clarence oder Clarissa auf die Welt bringen.«
»So wie die Welt jetzt aussieht«, meinte Daphne, »würde es mich nicht überraschen, wenn mein Sproß einmal als dein Angestellter enden würde.«
Obwohl Daphne ihn weiterhin mit Fragen bombardierte, konnte Charlie den Blick kaum von dem Holbein nehmen. Schließlich zog ihn Daphne mit den Worten fort: »Komm, Charlie, essen wir. Ich bin in letzter Zeit scheinbar immer am Verhungern.«
Percy und Becky standen auf und folgten den beiden.
Daphne führte ihre Gäste durch einen langen Korridor zum Speisezimmer, das von der gleichen Größe war wie das Zimmer, aus dem sie kamen. Die sechs lebensgroßen Portraits an den Wänden waren alle von Reynolds.
»Und hier ist nur die Häßliche eine Verwandte«, erklärte Percy und deutete auf die graue Frauengestalt an der Wand hinter ihm. »Wenn sie nicht eine beachtliche Mitgift gehabt hätte, wäre es ihr bestimmt nicht leichtgefallen, sich einen Wiltshire zu angeln.«
Aber Charlie interessierte sich mehr für das Gemälde als für Percys Familiengeschichte.
Sie setzten sich an die Tafel, die für vier gedeckt war, an der jedoch bequem acht Platz gefunden hätten, und aßen ein Dinner von vier Gängen, von dem bestimmt sechzehn satt geworden wären. Livrierte Diener standen hinter jedem Stuhl, um dem leisesten Begehr sogleich nachzukommen. »Jedes gute Heim sollte einen haben«, flüsterte Charlie seiner Frau über den Tisch hinweg zu.
Die Unterhaltung während des Essens gab den vieren die Chance, alles voneinander zu erfahren, was sich in den vergangenen zwei Jahren zugetragen hatte. Nachdem ein zweiter Kaffee eingeschenkt worden war, ließen Daphne und Becky die beiden Männer bei einer guten Zigarre zurück. Charlie hatte das Gefühl, die Wiltshires wären überhaupt nie weggewesen.
»Bin froh, daß uns die Mädchen allein gelassen haben«, sagte Percy. »Ich fürchte, es gibt da etwas Unerfreuliches, worüber wir vielleicht reden sollten.«
Charlie paffte seine erste Zigarre und fragte sich, wie man so was jeden Tag aushielt.
»Als Daphne und ich in Indien waren«, fuhr Percy fort, »begegneten wir diesem Schuft Trentham.«
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