Archer Jeffrey
alle Gardinen gegen schwarze Vorhänge auszutauschen.
Zwei Monate später wurde Charlie mitten in der Nacht von einem Polizeiwachtmeister aus dem Schlaf gerissen. Der Mann berichtete ihm, daß eine Bombe auf die Chelsea Terrace gefallen sei. Charlie rannte in Morgenrock und Hausschuhen den ganzen Weg von den Little Boltons über die Tregunter Road, um zu sehen, welcher Schaden entstanden war.
»Ist irgend jemand verletzt oder getötet worden?« fragte er im Laufen.
»Nicht daß wir wüßten«, antwortete der Wachtmeister, der Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten.
»Welches Geschäft hat es erwischt?«
»Weiß ich leider nicht, Mr. Trumper. Ich kann nur sagen, daß es so aussieht, als würde die ganze Chelsea Terrace brennen.«
Als Charlie um die Ecke der Fulham Road bog, züngelten ihm helle Flammen entgegen, und dunkler Rauch quoll in den Himmel empor. Die Bombe war mitten in Mrs. Trenthams Wohnungen gekracht und hatte sie ausnahmslos zerstört, während bei Charlies Läden nur drei Schaufensterscheiben zersplittert und das Dach des Hutgeschäfts abgedeckt war.
Bis die Feuerwehr schließlich aus der Terrace abzog, war von dem Wohngebäude nur noch eine graue, schwelende Ruine mitten im Block übrig. Bald wurde es offensichtlich, daß Mrs. Trentham nicht die Absicht hatte, etwas hinsichtlich dieses Trümmerhaufens zu unternehmen, der nun das Zentrum der Chelsea Terrace verschandelte.
Im Mai 1940 löste Mr. Churchill Mr. Chamberlain als Premierminister ab, was Charlie ein wenig mehr Hoffnung für die Zukunft gab. Er überlegte sogar, ob er sich nicht wieder zur Armee melden sollte.
»Hast du in letzter Zeit in den Spiegel geschaut?« fragte ihn
Becky lachend, als er mit ihr darüber sprach.
»Ich könnte mich wieder in Form bringen. Ich weiß, daß ich
es kann«, versicherte ihr Charlie und zog seinen Bauch ein.
»Außerdem werden ja nicht nur Truppen für die vorderste
Front gebraucht.«
»Du kannst viel Nützlicheres leisten, indem du dafür sorgst,
daß die Läden offen bleiben.«
»Das kann Arnold genausogut«, entgegnete Charlie.
»Außerdem ist er fünfzehn Jahre älter als ich.«
Doch Charlie mußte widerstrebend zugeben, daß Becky
recht hatte, als Daphne sie besuchte und ihnen erzählte, daß Percy sich zu seinem alten Regiment zurückgemeldet hatte. »Gott sei Dank haben sie ihm gesagt, daß er jetzt zu alt für die Front ist«, vertraute sie ihnen an. »Darum haben sie ihn hinter
einen Schreibtisch im War Office gesetzt.«
Am nächsten Tag, während Charlie die Reparaturarbeiten
nach einer neuerlichen Bombardierung begutachtete, berichtete
ihm Tom Arnold, daß Syd Wrexall und seine Vereinigung
durchblicken ließen, sie würden die restlichen elf Geschäfte
einschließlich des »Musketier« verkaufen.
»Es besteht keine Eile«, meinte Charlie. »In einem Jahr
werden sie sie für ein Butterbrot hergeben.«
»Aber bis dahin kann Mrs. Trentham sie schon billig
erstanden haben.«
»Solange Krieg ist, wird sie nicht daran interessiert sein.
Außerdem weiß das verdammte Weib nur zu gut, daß ich
nichts tun kann, solange dieser verfluchte Riesenkrater mitten
in der Chelsea Terrace existiert.«
»Oh, verdammt«, fluchte nun auch Tom, als ihn das
durchdringende Heulen der Sirene zusammenzucken ließ. »Sie
müssen schon wieder unterwegs sein.«
»Das sind sie allerdings«, brummte Charlie, während er zum
Himmel schaute. »Sehen Sie zu, daß Sie das Personal in den
Keller kriegen – rasch!« Charlie rannte auf die Straße, wo
gerade ein Luftschutzwart mitten über die Straße radelte und
brüllte, alle sollten umgehend den nächsten Luftschutzkeller
aufsuchen. Tom Arnold hatte seinen Geschäftsführern
beigebracht, die Läden zu schließen und Personal wie
Kundschaft mit Taschenlampen innerhalb von fünf Minuten in
den Keller zu schaffen, was Charlie an den Generalstreik
erinnerte. Während sie in dem Lagerraum unter Nummer 1 auf
die Entwarnung warteten, schaute sich Charlie unter den
Anwesenden um, und ihm wurde bewußt, wie viele seiner
besten jungen Männer Trumper verlassen und sich zur Armee
gemeldet hatten und daß er nun nur noch etwa zwei Drittel seines Stammpersonals hatte, wovon die meisten Frauen
waren.
Einige hielten Kinder in den Armen, andere versuchten zu
schlafen. Zwei Männer spielten in einer Ecke Schach, als wäre
der Krieg nichts weiter als eine lästige Unbequemlichkeit.
Zwei junge Mädchen übten den neuesten Tanz auf dem freien
Fleckchen in der Mitte des Kellerraums.
Sie konnten alle
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