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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Aufstieg
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ihrem teuren Nigel zugedacht hat.«
Becky zog eine Braue hoch, als ihr Mann sich zu ihr umdrehte und sie ansah.
»Sie will ihn an meiner Stelle als den nächsten Vorsitzenden von Trumper sehen.«

Cathy 1947 – 1950
    39  
    Die eine Frage, die ich als Kind nie beantworten konnte, lautete: »Wann hast du deinen Vater das letzte Mal gesehen?«
    Im Gegensatz zum jungen Kavalier kannte ich die Antwort ganz einfach nicht. Ich hatte keine Ahnung, wer mein Vater, und auch nicht, wer meine Mutter war. Die meisten anderen Menschen können es sich bestimmt nicht vorstellen, wie oft man am Tag, im Monat, im Jahr so etwas gefragt wird. Und wenn man antwortet: »Ich habe keine Ahnung, weil beide starben, als ich noch zu klein war, mich zu erinnern«, erntet man entweder überraschte oder mißtrauische Blicke oder, schlimmer noch, Ungläubigkeit. Deshalb lernt man schließlich, sich eine Ausrede einfallen zu lassen oder ganz einfach das Thema zu wechseln. Es gibt keine Spielart der Frage nach meinen Eltern, für die ich nicht bereits Ausflüchte gefunden habe.
    Die einzige vage Erinnerung, die ich an meine Eltern habe, ist die an einen Mann, der viel herumschrie, und an eine Frau, die so verschüchtert war, daß sie kaum je den Mund aufmachte. Außerdem glaube ich mich entsinnen zu können, daß sie Anna hieß. Alle anderen Erinnerungen sind völlig verschwommen.
    Wie ich doch die Kinder beneidete, die sofort alles über ihre Eltern, ihre Geschwister, ja sogar über ihre entfernten Verwandten erzählen konnten. Von mir wußte ich nur, daß ich im St.-Hilda-Waisenhaus am Park Hill in Melbourne aufgewachsen bin, dessen Leiterin Miss Rachel Benson war.
    Viele Kinder in diesem Heim hatten Verwandte, und einige bekamen Briefe, ja manchmal sogar Besuch. Ich kann mich in diesem Zusammenhang nur an eine einzige Person von außerhalb erinnern, eine ältere, ziemlich streng aussehende Dame, die ein langes schwarzes Kleid trug und schwarze Spitzenhandschuhe, die bis zu ihren Ellbogen reichten, und die mit einem seltsamen Akzent sprach. Ich habe keine Ahnung, in welchem Verwandtschaftsverhältnis sie zu mir stand – wenn überhaupt.
    Miss Benson behandelte diese Dame mit ungewöhnlichem Respekt und, wie ich mich erinnere, machte sogar einen Knicks, als sie ging. Doch ich habe ihren Namen nie erfahren, denn als ich alt genug war, Miss Benson danach zu fragen, behauptete sie, sie habe keine Ahnung, wen ich meinte. Jedesmal, wenn ich etwas über meine Herkunft von ihr wissen wollte, sagte sie geheimnisvoll: »Es ist besser, wenn du das nicht weißt, Kind.« Ich kann mir keinen anderen Satz vorstellen, der mich stärker dazu hätte antreiben können, die Wahrheit über meine Herkunft herauszubringen.
    Im Lauf der Jahre begann ich weniger direkte Fragen über meine Eltern zu stellen – der Rektorin, meiner Hausmutter, dem Küchenpersonal, ja sogar dem Hausmeister –, aber ich erfuhr nicht das geringste. Deshalb ersuchte ich an meinem vierzehnten Geburtstag, mit Miss Benson sprechen zu dürfen, um ihr diese Frage direkt zu stellen. Obwohl sie mich nicht mehr mit ihrem: »Es ist besser, wenn du das nicht weißt, Kind«, abspeiste, war ihre neue Antwort auch nicht viel besser: »Ehrlich, Cathy, ich weiß es selbst nicht.« Ich sagte zwar nichts, aber ich glaubte ihr nicht, denn einige der älteren vom Personal blickten mich manchmal so seltsam an, und mindestens zweimal ertappte ich sie dabei, daß sie hinter meinem Rücken über mich zu flüstern anfingen, wenn sie dachten, ich wäre bereits außer Hörweite.
    Ich hatte keine Fotos von meinen Eltern oder irgendwelche Andenken an sie, noch überhaupt irgendeine Art von Beweis, daß es sie je gegeben hatte, außer einem winzigen Schmuckstück, von dem ich zumindest glaubte, daß es aus Silber ist. Ich kann mich erinnern, daß der Mann, der soviel herumschrie, mir das kleine Kreuz gegeben und daß es seitdem immer an einer dünnen Schnur um meinen Hals gehangen hatte. Eines Abends, als ich mich im Schlafsaal auszog, entdeckte Miss Benson meinen Schatz und wollte wissen, woher ich diesen Anhänger hatte. Ich behauptete, daß Betsy Compton ihn mir für ein Dutzend Murmeln gegeben hatte, was Miss Benson mir damals auch glaubte. Doch von da an bewahrte ich mein Schmuckstück gut versteckt auf.
    Ich muß wohl eines der seltenen Kinder gewesen sein, die gern in die Schule gingen. Für mich gab es jedenfalls von dem Augenblick an, da sich mir die Pforten zum erstenmal öffneten, nichts Schöneres. Das

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