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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Aufstieg
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Jungen betreffend, beugte er sich über mich und begann sich für das einzige Stück zu interessieren, das ich noch am Leib trug.
    »Ich hab’ noch nie so einen gesehen«, sagte er und drehte meinen kleinen Anhänger zwischen den Fingern.
»Ebenfalls ein erstes Mal?« neckte ich ihn.
»Nicht ganz.« Er lachte. »Denn einen ähnlichen hab’ ich schon gesehen.«
»Was meinst du damit?«
»Es ist ein Orden«, erklärte er. »Mein Vater hat auch zwei oder drei verliehen bekommen, doch keiner war aus Silber.«
Ich finde, daß allein diese Information den Verlust meiner Unschuld wert war, wenn ich heute daran zurückdenke.
In der Universitätsbibliothek gibt es eine große Auswahl an Büchern über den Ersten Weltkrieg, verständlicherweise hauptsächlich über Kriegsschauplätze, an denen Australier gekämpft hatten – Gallipoli und der Fernost-Feldzug zum Beispiel. Der Zweite Weltkrieg, die Landung der Alliierten an der Küste der Normandie oder El Alamein, ist für die australische Militärgeschichte, scheint’s, nicht so von Bedeutung. Jedenfalls befand sich zwischen den Schilderungen heldenhafter Taten australischer Infanteristen auch ein Kapitel über britische Kriegsauszeichnungen, einschließlich farbiger Abbildungen.
Ich erfuhr, daß es VCs gab, DSOs, DSCs, CBEs, OBEs – mir erschien die Aufzählung endlos, bis ich auf Seite 409 fand, was ich gesucht hatte: das MC, das Militärverdienstkreuz. Das Band war aus moirierter weißer Seide mit violetten waagerechten Streifen, und der Orden aus Silber mit der britischen Krone auf seinen vier Kreuzbalken. Es war Offizieren vom Majorsrang abwärts verliehen worden, und zwar »für hervorragende Tapferkeit vor dem Feind«. In mir keimte die Vermutung, daß mein Vater vielleicht ein Kriegsheld gewesen war, in jugendlichem Alter an schrecklichen Verwundungen gestorben. Das hätte zumindest eine Erklärung für sein dauerndes Gebrüll geliefert: weil er unter entsetzlichen Schmerzen litt.
Meine nächste Nachforschung betrieb ich in einem Antiquitätenladen in Melbourne. Der Mann hinter dem Ladenschalter sah sich meinen Orden lediglich kurz an und bot mir fünf Dollar dafür. Ich machte mir nicht die Mühe, ihm zu erklären, daß ich ihn nicht für fünfhundert hergegeben hätte; aber zumindest erfuhr ich von ihm, daß der einzige Händler in Australien, der sich auf Orden spezialisiert hatte, ein Mr. Clive Jennings in Sydney war, Mafeking Street 47.
Damals war Sydney für mich so gut wie auf der anderen Seite der Erdkugel, und für mein kleines Stipendiumstaschengeld konnte ich mir eine so weite Reise natürlich nicht leisten. Also mußte ich geduldig bis zu den Sommersemesterferien warten. Ich bewarb mich als Punktezählerin für die Kricketmannschaft der Universität, wurde jedoch meines Geschlechts wegen abgelehnt. Man kann von Frauen nicht erwarten, daß sie dieses Spiel richtig begreifen, erklärte mir der Junge, der während des Unterrichts gewöhnlich hinter mir saß, damit er von mir abschreiben konnte. Das ließ mir keine Wahl, als viele Stunden meine Vorund Rückhandschläge und meine Schmetterbälle zu üben, bis ich in die zweite Tennismannschaft der Damen aufgenommen wurde. Das war nicht das Gelbe vom Ei, aber die Mannschaft hatte ein Auswärtsspiel, das mich interessierte, nämlich das in Sydney.
Am Vormittag, an dem wir in Sydney ankamen, begab ich mich direkt in die Mafeking Street und staunte, wie viele junge Männer, die mir auf den Straßen begegneten, Uniform trugen. Mr. Jennings studierte den Orden persönlich und mit beträchtlich größerem Interesse, als der Antiquitätenhändler in Melbourne es getan hatte.
»Ja, es ist ein Miniatur-MC«, versicherte er mir, während er meinen kleinen Schatz durch eine Lupe studierte. »Es dürfte an einer Paradeuniform getragen worden sein. Diese drei Initialen, die in die Seite eines Balkens graviert und für das bloße Auge kaum zu erkennen sind«, fuhr er fort, »verraten uns möglicherweise, wer diese Auszeichnung bekommen hat.«
Ich starrte durch Mr. Jennings Lupe auf etwas, von dem ich bisher nichts geahnt hatte, doch jetzt konnte ich ganz deutlich das Monogramm sehen: ›G. F. T.‹
»Gibt es irgendeine Möglichkeit herauszufinden, wer G. F. T. ist?« erkundigte ich mich hoffnungsvoll.
»Oh, ja«, antwortete Mr. Jennings. Er drehte sich zu einem Regal um, nahm ein ledergebundenes Buch herunter und blätterte die Seiten durch, bis er bei Godfrey S. Thomas und George Victor Taylor angelangt war, aber er fand

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