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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Aufstieg
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späte Stunde. Ich versuchte ihr für ihre unendliche Güte zu danken, erklärte ihr jedoch, daß es trotzdem besser wäre, wenn ich selbst Becky die furchtbare Neuigkeit mitteilte. Weiß der Himmel, wie ich das fertigbrachte, ohne den Umschlag mit der verräterischen Handschrift zu erwähnen, aber ich schaffte es jedenfalls. Hätte ich Becky die volle Wahrheit erzählt, ich glaube, sie wäre noch an diesem Abend zum Chester Square gegangen und hätte das Weib auf der Stelle mit bloßen Händen erwürgt – und vielleicht hätte ich ihr sogar dabei geholfen.
Sie begruben ihn unter seinesgleichen. Der Collegepfarrer, der diese Art von Gottesdienst bestimmt schon oft hatte abhalten müssen, hielt dreimal inne, um sich zu fassen.
In life, in death, O Lord, abide with me …
Becky und ich besuchten Addenbrooke jeden Tag dieser Woche gemeinsam, aber Dr. Atkins konnte uns nur sagen, daß Cathys Zustand unverändert war, sie hatte noch kein Wort gesprochen. Trotzdem, schon der Gedanke, daß sie allein und hilflos dalag und unsere Liebe brauchte, lenkte uns ein bißchen von unserem eigenen Leid ab.
Als wir am Freitag nachmittag ziemlich spät nach London zurückkamen, stapfte Arthur Selwyn vor meinem Büro hin und her.
»Jemand ist in Cathys Apartment eingedrungen; das Schloß wurde aufgebrochen«, empfing er mich, ehe ich ein Wort sagen konnte.
»Aber worauf kann ein Einbrecher aus gewesen sein?« wunderte ich mich.
»Das fragte die Polizei sich auch; denn es sieht nicht so aus, als wäre etwas gestohlen worden.«
Das Puzzle wurde immer komplizierter. Was mochte Mrs. Trentham Daniel geschrieben haben? Nun kam noch dieses Rätsel hinzu: Was besaß Cathy, das Mrs. Trentham derart interessierte? Ich war auch nicht schlauer, nachdem ich mich selbst in dem kleinen Apartment umgesehen hatte.
Becky und ich fuhren jeden zweiten Tag nach Cambridge und zurück, bis Cathy gegen Mitte der dritten Woche endlich wieder redete, stockend zunächst, dann in einem Schwall von Worten, während sie meine Hand umklammerte. Manchmal rieb sie ihren Zeigefinger unmittelbar unter dem Kinn gegen den Daumen.
Das gab sogar Dr. Atkins ein Rätsel auf.
Es war ihm inzwischen jedoch gelungen, mehrmals längere Gespräche mit Cathy zu führen, und er hatte sogar mit Wortspielen angefangen, um sich ein Bild von ihrem Erinnerungsvermögen machen zu können. Seiner Meinung nach hatte sie alle Erinnerung an Daniel Trumper und an ihr Leben in Australien aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Das war in solchen Fällen nicht ungewöhnlich, versicherte er uns, und er hatte sogar einen schönen griechischen Namen dafür.
»Sollte ich versuchen, mich mit ihrem Professor von der Melbourner Universität in Verbindung zu setzen? Oder vielleicht mit dem Personal vom Melrose Hotel reden? Vielleicht können sie Licht in die Sache bringen.«
»Nein«, entgegnete er und rückte seine gepunktete Fliege gerade. »Sie dürfen sie nicht überanstrengen und müssen Geduld haben. Es kann ziemlich lange dauern, bis ihr volles Erinnerungsvermögen zurückkehrt.«
Ich nickte.
»Halten Sie sich zurück! Zähmen Sie Ihre natürliche Aggression!« war offenbar Dr. Atkins’ Lieblingsmahnung.
Sieben Wochen später durften wir Cathy zu uns nach Hause mitnehmen, wo Becky ihr ein Zimmer hergerichtet hatte. Ich hatte Cathys Habe bereits von dem kleinen Apartment über der Metzgerei geholt, natürlich ohne zu wissen, ob bei dem Einbruch nicht doch etwas abhanden gekommen war.
Becky hatte Cathys Kleidung im Schrank und in Schubladen verstaut und sich bemüht, das Zimmer so wohnlich wie nur möglich zu machen. Kurz zuvor hatte ich ihr Aquarell aus Cambridge geholt, wo es über Daniels Schreibtisch gehangen hatte, und es auf der Treppe zwischen den Courbet und den Sisley gehängt. Als Cathy die Treppe zum erstenmal zu ihrem Zimmer hinaufging, sah es nicht so aus, als würde sie ihr eigenes Werk erkennen.
Ich fragte Dr. Atkins noch einmal, ob wir nicht doch an die Universität von Melbourne schreiben sollten, um den Versuch zu unternehmen, etwas über Cathys Vergangenheit in Erfahrung zu bringen, doch er riet erneut davon ab. Er meinte, es müsse von ihr ausgehen, von ihr selbst kommen und nicht als Ergebnis äußeren Drucks.
»Aber was glauben Sie, wie lange es dauern kann, bis ihr Gedächtnis wieder lückenlos ist?«
»Zwischen vierzehn Tagen und vierzehn Jahren, nach meiner Erfahrung.«
Ich kann mich erinnern, daß ich an diesem Abend in Cathys Zimmer ging, mich neben ihr Bett setzte und ihre

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