Archer Jeffrey
ich damals mit dem Gärtner gegangen bin, und der hat es mir gesagt.« Charlie drehte sich um, um ihr zu danken, aber sie hatte bereits die Tür hinter sich geschlossen.
Charlie stieg in den Wagen, ohne Barschaft und mit nur einem einzigen Namen, der ihm vielleicht noch weiterhelfen konnte. Er war sicher, daß der Alte das Geheimnis hätten lüften können, andernfalls hätte er »kann ich nicht« gesagt, statt »werd’ ich nicht«, als er ihn um seine Hilfe gebeten hatte.
Auf der langen Rückfahrt in die Stadt verfluchte er mehrmals seine Dummheit.
»Roberts, gibt es in Melbourne ein Waisenhaus?« fragte Charlie, kaum, daß er das Büro des Anwalts betreten hatte.
»St. Hilda«, sagte Neu Mitchell, noch bevor sein Sozius überlegen konnte. »Es ist irgendwo am Park Hill. Wieso?«
»Ja, das ist es.« Charlie blickte auf die Uhr. »In London ist es ungefähr sieben Uhr, und ich bin groggy. Ich werde ins Hotel gehen und ein bißchen schlafen. Finden Sie inzwischen alles über St. Hilda heraus, angefangen mit den Namen aller Mitarbeiter, die dort zwischen 1924 und 1927 beschäftigt waren, vom Oberboss bis zum Küchenmädchen. Und falls noch jemand von ihnen lebt, dann suchen Sie sie, denn ich will sie innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden sprechen.«
Zwei Angestellte in Mitchells Büro schrieben hastig alles auf.
»Außerdem möchte ich die Namen jedes Kindes wissen, das zwischen 1923 und 1927 in dieses Waisenhaus eingewiesen wurde. Denken Sie daran, wir suchen nach einem Mädchen, das damals nicht älter als vier Jahre gewesen sein kann und möglicherweise auf den Namen Margaret Ethel gehört hat. Und wenn Sie die Antworten auf alle diese Fragen haben, dann wecken Sie mich auf – egal, wie spät es ist!«
45
Trevor Roberts kam kurz vor acht am nächsten Morgen in Charlies Hotel und fand seinen Klienten bei einem Riesenfrühstück aus Eiern, Tomaten. Pilzen und Speck. Roberts sah zwar müde und unrasiert aus, aber er brachte gute Nachricht.
»Wir haben uns mit der Heimleiterin von St. Hilda in Verbindung gesetzt, einer Mrs. Culver, und sie hätte nicht hilfsbereiter sein können«, berichtete er, und Charlie lächelte. »Neunzehn Kinder wurden zwischen 1923 und 1927 im Heim aufgenommen, acht Jungen und elf Mädchen. Von den elf Mädchen hatten neun weder Vater noch Mutter; von diesen neun konnten wir sieben ausfindig machen; und fünf von ihnen haben noch lebende Verwandte, die wissen, wer der Vater war. Die Eltern eines Mädchens kamen bei einem Autounfall um, und ein weiteres ist eine Eingeborene. Die beiden letzten erwiesen sich als schwieriger aufzuspüren, deshalb dachte ich, Sie möchten sich vielleicht ihre Akten im St.-Hilda-Heim selbst ansehen.«
»Was ist mit dem Personal des Waisenhauses?«
»Nur die Köchin arbeitete schon damals dort, und sie sagte, daß es im Heim nie ein Kind gegeben hat, das Trentham oder ähnlich hieß, nicht einmal an eine Margaret oder Ethel konnte sie sich erinnern. Unsere letzte Hoffnung ist vielleicht eine Miss Benson.«
»Miss Benson?«
»Ja, sie war zu der Zeit die Heimleiterin und wohnt jetzt in Maple Lodge, einem exklusiven Altenheim am anderen Ende der Stadt.«
»Nicht schlecht, Mr. Roberts«, sagte Charlie. »Aber wie haben Sie es fertiggebracht, daß Mrs. Culver Ihnen so rasch und so sehr geholfen hat?«
»Nun ja – ich bediente mich Methoden, die man, wie Sie es nennen würden, eher in Whitechapel als in Harvard lernt, Sir Charles.«
Charlie blickte ihn mit hochgezogenen Brauen an.
»Ich habe erfahren, daß das Waisenhaus zu Spenden für einen Kleinbus aufgerufen hat …«
»Kleinbus?«
»Den das Waisenhaus dringend für Fahrten braucht …«
»Und so haben Sie angedeutet, daß ich …«
»Daß Sie vielleicht ein oder zwei Räder spendieren würden, wenn …«
»Wenn sie mir weiter …«
»Helfen könnten. Genau.«
»Sie lernen schnell, Roberts, das muß man Ihnen lassen.«
»Und da wir keine Zeit vergeuden dürfen, sollten wir gleich nach St. Hilda fahren, damit Sie die Akten durchsehen können.«
»Aber Miss Benson müßte doch mehr wissen!«
»Das bezweifle ich nicht im geringsten, und ich habe auch bereits einen Besuch bei ihr am Nachmittag eingeplant, sobald Sie im St. Hilda fertig sind. Ich fürchte nur, daß Miss Benson nicht hilfsbereiter sein wird als Walter Slade. Im Waisenhaus nannten nicht nur die Kinder sie den ›Drachen‹, sondern auch das Personal.«
Als Charlie im Waisenhaus ankam, begrüßte ihn die Heimleiterin. Mrs. Culver trug ein
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