Archer Jeffrey
sprechen?«
»Warum? Kommen Sie von der Sozialhilfe?«
»Nein, aus England«, antwortete Charlie. »Und ich bringe Ihrem Mann eine Kleinigkeit, die meine Tante, Mrs. Ethel Trentham, ihm hinterlassen hat. Sie ist vor kurzem gestorben, wissen Sie.«
»Oh, wie freundlich von Ihnen«, sagte Mrs. Slade. »Bitte treten Sie ein.«
Sie führte Charlie in die Küche, wo ein alter Mann in wollener Weste über einem sauberen karierten Hemd und einer ausgebeulten Hose in einem Sessel vor dem Herd döste.
»Da ist ein Herr den ganzen Weg von England gekommen, bloß um dir was zu bringen.«
»Was hast du gesagt?« Der Alte hob die knochigen Finger und rieb sich den Schlaf aus den Augen.
»Ein Herr ist aus England gekommen«, wiederholte seine Frau. »Mit einem Geschenk von einer Mrs. Trentham.«
»Ich bin jetzt zu alt, um sie herumzukutschieren.« Mit müden Augen blickte er zu Charlie auf.
»Nein, Walter, du hast mich falsch verstanden. Er ist ein Verwandter von ihr und ist den weiten Weg von England mit einem Geschenk von ihr gekommen. Sie ist gestorben, weißt du.«
»Gestorben?«
Beide blickten Charlie jetzt fragend an. Er holte rasch seine Brieftasche hervor, nahm sämtliche Scheine heraus und reichte sie Mrs. Slade.
Sie machte sich daran, sie bedächtig zu zählen, während Walter Slade den Besucher nur anstarrte, so daß Charlie sich ein wenig unbehaglich fühlte, wie er so mitten auf dem makellos sauberen Steinboden stand.
»Fünfundachtzig Pfund, Walter!« Sie gab das Geld ihrem Mann.
»Warum soviel?« fragte er. »Und nach so langer Zeit?«
»Sie haben ihr einen großen Gefallen erwiesen«, antwortete Charlie, »darum hat sie Ihnen etwas vermacht.«
Der Alte starrte Charlie noch mißtrauischer an.
»Sie hat mich damals bezahlt«, brummte er.
»Das ist mir klar«, entgegnete Charlie, »aber …«
»Und ich hab’ den Mund gehalten!«
»Das ist ein weiterer Grund, weshalb sie Ihnen dankbar war«, versicherte ihm Charlie.
»Sie wollen doch nicht behaupten, daß Sie den ganzen Weg von England bloß hierhergekommen sind, um mir fünfundachtzig Pfund zu geben?« sagte Slade. »Das glaub’ ich Ihnen nicht, Junge.« Er klang plötzlich viel wacher.
»Nein, nein«, entgegnete Charlie und hatte das Gefühl, unglaubhaft zu wirken. »Ich habe bereits ein Dutzend andere Legate überbracht, nur waren Sie hier draußen nicht so leicht zu finden.«
»Das glaub’ ich gern. Ich fahr’ ja auch schon seit zwanzig Jahren nicht mehr.«
»Sie sind aus Yorkshire, nicht wahr?« sagte Charlie grinsend. »Ich würd’ Ihren Akzent überall erkennen.«
»Stimmt, Junge. Und Sie sind von London, was bedeutet, daß man Ihnen nicht trauen kann. Also, warum sind Sie wirklich zu mir gekommen? Bestimmt nicht, um uns fünfundachtzig Pfund zu bringen, das kauf ich Ihnen nicht ab.«
»Ich kann das kleine Mädchen nicht finden, das bei Mrs. Trentham war, als Sie sie chauffiert haben«, sagte Charlie und setzte alles auf eine Karte. »Sie müssen wissen, daß Mrs. Trentham ihr ein Vermögen vermacht hat.«
»Stell dir das vor, Walter!« staunte Mrs. Slade.
Walter Slades Gesicht verriet nichts.
»Es ist meine Pflicht, sie zu finden und der Dame die freudige Mitteilung zu machen.«
Slades Gesicht blieb unbewegt, während Charlie weitersprach. »Ich dachte, Sie würden mir vielleicht helfen.«
»Werd’ ich nicht«, erwiderte Slade. »Und Ihr Geld können Sie wieder mitnehmen!« Er knüllte die Scheine zusammen und warf sie Charlie vor die Füße. »Und lassen Sie sich nie wieder hier sehen mit Ihren Lügengeschichten von Erbschaften. Bring den Herrn hinaus, Elsie.«
Mrs. Slade bückte sich, hob die Scheine auf und gab sie Charlie. Als sie ihm den letzten ausgehändigt hatte, führte sie den Fremden stumm zur Haustür.
»Ich möchte mich entschuldigen, Mrs. Slade«, sagte Charlie. »Ich hatte wirklich nicht die Absicht, Ihren Mann zu beleidigen.«
»Ich weiß, Sir. Aber Walter war schon immer so stolz. Der Himmel weiß, wie nötig wir das Geld gehabt hätten.« Charlie lächelte, als er die zerknitterten Scheine in die Schürze der alten Frau steckte und rasch einen Finger an die Lippen drückte. »Wenn Sie’s ihm nicht sagen, von mir erfährt er’s nicht.« Er verbeugte sich knapp, dann drehte er sich um, um auf dem Gartenweg zum Wagen zurückzukehren.
»Ich hab’ nie ein kleines Mädchen gesehen«, sagte sie leise. Charlie blieb stehen. »Aber Walter hat einmal eine hochnäsige Dame zu dem Waisenhaus am Park Hill in Melbourne gefahren. Ich weiß es, weil
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