Archer Jeffrey
blickte Becky in die Augen und
murmelte: »Ich konnte es mir bisher nur ausmalen, wie es sein
würde, aber ich hatte nicht geahnt, daß du so wunderschön
bist.«
»Danke«, murmelte Becky. Guy setzte sich auf und reichte
ihr den Cognacschwenker. Sie nahm einen kleinen Schluck und
dachte, ob es nicht besser wäre, wenn sie den Kaffee als
Vorwand nähme und sich in die Küche zurückzöge.
»Aber eine Enttäuschung hat es für diesen Abend für mich
leider gegeben«, gestand Guy, dessen Hand immer noch auf
ihrem Schenkel ruhte.
»Eine Enttäuschung?« Becky stellte das Glas ab. Es fiel ihr
schwer, klar zu denken, und sie fühlte sich etwas seltsam. »Ja. Dein Verlobungsring.«
»Verlobungsring?«
»Ich habe ihn schon vor über einem Monat bei Garrard
bestellt, und der Juwelier versprach mir höchstpersönlich, daß
ich ihn heute abholen könne. Und dann vertröstete mich sein
Verkäufer heute nachmittag, daß ich ihn morgen in aller Früh
bekommen würde.«
»Das macht doch nichts«, versicherte ihm Becky.
»O doch, das macht schon was!« entgegnete Guy. »Ich
wollte ihn dir heute abend an den Finger stecken. Jetzt kann ich
nur hoffen, daß du morgen ein bißchen eher als geplant am
Bahnhof sein kannst. Dann werde ich vor dir auf die Knie
fallen und ihn dir überreichen.«
Becky stand auf. Sie lächelte, als auch Guy sich sofort erhob
und sie in die Arme schloß. Daphnes Kleid glitt von ihren
Schultern und fiel auf den Boden. Guy nahm sie bei der Hand,
und sie führte ihn in ihr Zimmer.
Er schlug rasch die Decke zurück, warf sich aufs Bett und
streckte Becky die Arme entgegen. Nachdem sie sich zu ihm
gelegt hatte, zog ihr Guy die restlichen Kleider aus und begann
sie am ganzen Körper zu küssen. Und die Art und Weise, wie
er sie dann liebte, verriet ihr, daß er bereits reiche Erfahrung
gesammelt haben mußte.
Obwohl der Akt als solcher schmerzhaft war, wunderte sich
Becky, wie rasch das so verheißungsvolle Gefühl vorüber war,
und sie klammerte sich an Guy, eine Ewigkeit, wie ihr schien.
Er versicherte ihr immer wieder, wie sehr er sie liebte, was ihr
Schuldgefühl ein bißchen milderte – immerhin waren sie ja
verlobt.
Im Halbschlaf glaubte Becky eine Tür zufallen zu hören,
nahm jedoch an, daß das Geräusch von der oberen Wohnung
kam. Guy rührte sich nicht. Plötzlich wurde die Tür geöffnet,
und Daphne stand vor ihnen.
»Oh, tut mir leid, ich hatte keine Ahnung«, flüsterte sie und schloß die Tür ganz leise rasch hinter sich. Becky blickte
ängstlich auf ihren Liebsten.
Er lächelte und nahm sie in die Arme. »Mach dir keine
Gedanken wegen Daphne. Sie wird niemandem etwas sagen.«
Er zog Becky an sich, und sie liebten sich aufs neue.
Waterloo Station war bereits voll von Soldaten, als Becky zu Bahnsteig l ging. Sie hatte sich um ein paar Minuten verspätet, um so mehr überraschte es sie, daß Guy noch nicht da war. Da erinnerte sie sich, daß er ja zuerst noch in die Albermarie Street gemußt hatte, um den Ring abzuholen.
Sie schaute auf das Bahnsteigschild. In Großbuchstaben stand da: SOUTHAMPTON BOAT TRAIN, und darunter: Abfahrt 11.30. Becky blickte besorgt den Bahnsteig auf und ab, bis ihr Blick auf eine Schar Mädchen fiel, die hilflos unter der Bahnhofsuhr standen und sich mit schrillen, nervösen Stimmen über Jagdbälle und Polo unterhielten und wer in diesem Jahr Debütantin sein würde – und jede war sich nur zu schmerzhaft bewußt, daß sie sich am Bahnhof von ihrem Liebsten verabschieden mußte, weil es nicht schicklich war, daß ein Mädchen einen Offizier bis Southampton begleitete, wenn es nicht mit ihm verheiratet oder offiziell verlobt war. Aber die heutige Times würde beweisen, daß sie und Guy verlobt waren, dachte Becky, also konnte sie vielleicht mit ihm bis Southampton mitfahren …
Sie blickte wieder auf die Uhr: einundzwanzig Minuten nach elf. Nun regte sich zum erstenmal Unsicherheit in ihr. Doch da sah sie Guy plötzlich über den Bahnsteig auf sie zukommen.
Er entschuldigte sich, erklärte jedoch nicht, weshalb er sich so verspätet hatte. Er befahl lediglich seinem Burschen, seine sämtlichen Koffer ins Abteil zu bringen und dort auf ihn zu warten. Die nächsten Minuten unterhielten sie sich über allgemeine Dinge, und Becky hatte sogar das Gefühl, daß er etwas distanziert war, aber sie sah, daß noch andere Offiziere auf dem Bahnsteig standen und sich verabschiedeten.
Eine Pfeife schrillte, und Becky bemerkte, daß ein diensthabender Sergeant auf seine Uhr
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