Archer, Jeffrey
Überzeugungen Ihnen zuliebe auf, so verrät er Sie, anstatt Ihnen zu dienen.‹«
Edward spürte, welchen Eindruck diese Feststellung machte, und stand rasch auf. »Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, es ist an der Zeit, Kaffee zu trinken, damit Sie Gelegenheit haben, Mrs. Kane persönlich kennenzulernen – obwohl Sie bestimmt schon wissen, warum sie glaubt, die richtige Person zu sein, den Ninth District im Kongreß zu vertreten.«
In der nächsten Stunde stand Florentyna in einem Kreuzfeuer persönlicher und politischer Fragen; hätte man einige dieser Fragen zu Hause an sie gerichtet, sie hätte sie als ungehörig empfunden. Aber sie erfaßte rasch, daß man nicht im öffentlichen Leben stehen und gleichzeitig immer seine private Meinung äußern kann. Als der letzte Journalist verschwunden war, ließ sie sich erschöpft auf einen Stuhl fallen; sie hatte nicht einmal Zeit gehabt, eine Tasse Kaffee zu trinken.
»Du warst großartig«, sagte Janet Brown, »finden Sie nicht auch, Mr. Winchester?«
Edward lächelte. »Gut, aber nicht großartig. Ich mache mir Vorwürfe, daß ich dich nicht vorher gewarnt habe: es ist ein Unterschied, ob man Präsidentin eines Unternehmens ist oder für ein öffentliches Amt kandidiert.«
»In welcher Beziehung?« fragte Florentyna erstaunt.
»Manche Journalisten sind ungeheuer einflußreich. Ihre Kolumnen werden täglich von Hunderttausenden gelesen, und sie wollen ihren Lesern den Eindruck vermitteln, daß sie dich persönlich gut kennen. Manchmal warst du zu unnahbar, und zu dem Mann von der Tribüne warst du einfach unhöflich.«
»War das der Mann, der fragte, wer die Hosen anhat?«
»Ja.«
»Was denn hätte ich antworten sollen?«
»Einen Scherz daraus machen.«
»Es war aber nicht komisch, Edward, und er war unhöflich.«
»Möglich. Aber nicht er bewirbt sich um ein öffentliches Amt, sondern du tust es. Daher kann er sagen, was er will.
Und vergiß nicht, seine Artikel werden täglich von mehr als fünfhunderttausend Leuten in Chicago gelesen, einschließlich der meisten deiner Wähler.«
»Du willst also, daß ich Kompromisse mache?«
»Nein, ich will, daß du gewählt wirst. Wenn du im Kongreß sitzt, kannst du allen beweisen, daß sie dich mit Recht gewählt haben. Vorläufig bist du eine unbekannte Ware, gegen die sehr viel spricht: du bist eine Frau, du bist polnischer Abstammung und du bist Millionärin. Diese Kombination wird bei vielen Menschen Vorurteile und Neid wachrufen. Um diesen Gefühlen entgegenzuarbeiten, mußt du humorvoll und freundlich wirken und Anteilnah-me für jene zeigen, die weniger privilegiert sind als du.«
»Edward, du solltest kandidieren!«
Edward schüttelte den Kopf. »Ich weiß, daß du die Richtige bist, Florentyna, aber ich weiß jetzt auch, daß du ein wenig Zeit brauchen wirst, um dich an deine neue Umgebung zu gewöhnen. Gott sei Dank lernst du rasch.
Übrigens teile ich die Ansichten, die du mit so großer Überzeugung vertreten hast, aber da du gern historische Persönlichkeiten zitierst, möchte ich dich an die Worte von Jefferson erinnern: Durch eine Rede, die man nicht gehalten hat, verliert man keine Stimmen.«
Wieder hatte Edward recht. Die Presse erteilte Florentyna gemischte Zensuren, und der Reporter der Tribüne nannte sie die größte Heuchlerin, der er je in der Politik begegnet sei – Chicago müsse doch imstande sein, einen anderen Kandidaten aufzustellen? Sonst müsse er seinen Lesern zum erstenmal empfehlen, republikanisch zu wählen. Florentyna war entsetzt, gewöhnte sich jedoch rasch daran, daß das Ego eines Journalisten noch empfindlicher ist als das eines Politikers. Woche für Woche verbrachte sie fünf Tage in Chicago, traf Leute, unterhielt sich mit Journalisten, trat im Fernsehen auf und warb für den Wahlfonds. Wenn sie mit Richard beisammen war, ging sie jedes Detail mit ihm durch. Selbst Edward wurde allmählich optimistisch – bis der erste Schlag kam.
»Ralph Brooks? Wer, zum Teufel ist Ralph Brooks?«
fragte Florentyna.
»Ein Anwalt aus Chicago – sehr klug und sehr ehrgeizig.
Ich dachte immer, er wolle Staatsanwalt werden, aber offenbar habe ich mich geirrt. Ich würde gern wissen, wer die Idee hatte, ihn zu nominieren.«
»Ist er ein ernst zu nehmender Kandidat?«
»Ohne Zweifel. Ein Einheimischer sozusagen; absolvierte die Universität von Chicago, bevor er an der Yale Law School inskribierte.«
»Wie alt?«
»Ende dreißig.«
»Und natürlich
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