Archer, Jeffrey
begeistert Beifall. Als es wieder ruhig wurde, beantwortete Florentyna Fragen, deren Themen von der Bombardierung Kambodschas bis zur Legalisierung der Abtreibung und von Watergate bis zur Energiekrise reichten. Zum erstenmal im Leben hatte sie bei einer Versammlung nicht alle Fakten und Zahlen vorbereitet vor sich liegen, und sie war selbst überrascht, wie dezidiert ihre Meinung über bestimmte Probleme war. Als sie eine Stunde später die letzte Frage beantwortet hatte, standen die Leute auf und riefen »Kane in den Kongreß!«
Sie hörten erst auf, als sie das Podium verließ. Es war einer der seltenen Momente in ihrem Leben, in denen sie nicht recht wußte, was sie als nächstes tun sollte. Edward kam ihr zu Hilfe.
»Ich hab es gewußt, alle werden von dir begeistert sein«, sagte er offensichtlich beglückt.
»Aber ich war ganz schlecht«, rief sie ihm durch den Lärm zu.
»Dann bin ich schon jetzt neugierig, wie du bist, wenn du gut bist.«
Edward führte sie in den Saal zurück. Leute umringten sie. Ein Mann in einem Rollstuhl berührte ihren Arm. Sie drehte sich um.
»Das ist Sam«, sagte Edward, »Sam Hendrick. Er hat beide Beine in Vietnam verloren.«
»Mrs. Kane«, sagte er. »Sicher erinnern Sie sich nicht mehr; wir haben einmal zusammen für Stevenson Briefumschläge zugeklebt. Wenn Sie sich entschließen, zu kandidieren, werden meine Frau und ich Tag und Nacht für Ihre Wahl arbeiten. Viele Leute in Chicago haben immer gehofft, daß Sie eines Tages nach Hause kommen und uns vertreten werden.«
Seine Frau, die hinter ihm stand, nickte und lächelte.
»Danke«, sagte Florentyna. Sie versuchte zum Ausgang zu gelangen, aber der Weg war von ausgestreckten Händen und Gratulanten blockiert. An der Tür hielt sie ein etwa fünfundzwanzigjähriges Mädchen auf. »Ich habe in Ihrem ehemaligen Zimmer in Radcliffe gewohnt und bin wie Sie auf dem Soldier Field gestanden, um Präsident Kennedy zu hören. Amerika braucht wieder einen solchen Präsidenten. Warum soll es diesmal nicht eine Frau sein?«
Florentyna betrachtete das junge Gesicht. »Ich habe meine Studien abgeschlossen und arbeite jetzt in Chicago«, fuhr das Mädchen fort, »aber an dem Tag, an dem Sie kandidieren, werden Tausende Studenten aus Illinois auf den Straßen sein, und dafür sorgen, daß Sie gewählt werden.«
Florentyna versuchte den Namen des Mädchens zu erfahren, wurde jedoch von der Menge weitergedrängt.
Endlich gelang es Edward, sie zum Ausgang und zum Wagen zu führen, der sie zum Flughafen zurückbrachte.
Während der Fahrt sagte Florentyna kein Wort. Als sie ankamen, sprang der schwarze Chauffeur aus dem Auto und öffnete ihr die Tür. Sie dankte ihm.
»Es war mir ein Vergnügen, Mrs. Kane. Ich möchte Ihnen für das danken, was Sie für die Schwarzen im Süden getan haben. Wir werden nicht vergessen, daß sie unseren Kampf für gleichen Lohn angeführt haben, und alle anderen Hotels Amerikas ihnen folgen mußten. Hoffentlich habe ich die Gelegenheit, Sie zu wählen.«
»Danke«, sagte Florentyna lächelnd.
Edward begleitete sie in die Abflughalle.
»Danke, daß du gekommen bist, Florentyna. Laß es mich wissen, wenn du dich entschieden hast.«
Eine Pause, dann: »Wenn du glaubst, daß du dich nicht aufstellen lassen willst, werde ich Verständnis dafür haben.«
Er küßte sie rasch auf die Wange und ging.
Auf dem Rückflug dachte Florentyna über die Ereignisse des Tages nach, und wie unvorbereitet sie auf diese Sympathiekundgebung gewesen war. Sie wollte, ihr Vater hätte den heutigen Tag miterleben können.
Eine Stewardeß fragte, ob sie einen Drink wolle.
»Nein, danke.«
»Kann ich irgend etwas für Sie tun, Mrs. Kane?«
Erstaunt, daß das junge Mädchen ihren Namen kannte, sah Florentyna auf.
»Ich habe in einem Ihrer Hotels gearbeitet.«
»In welchem?«
»Im Detroit Baron. Wenn Amerika so geführt wäre wie Ihre Hotels, stünden wir besser da«, sagte sie, bevor sie durch den Mittelgang verschwand.
Florentyna blätterte im Newsweek. Unter der Überschrift: »Wie weit geht Watergate?« sah sie die Gesichter von Ehrlichman, Haldeman und Dean. Dann legte sie die Zeitschrift weg. Auf dem Umschlag war Nixons Bild, und darunter stand: »Wann wußte es der Präsident?«
Kurz nach Mitternacht war sie wieder zu Hause. Richard saß in dem roten Lederstuhl vor dem Kamin. Er stand auf, um sie zu begrüßen.
»Hat man dich gebeten, bei den Präsidentschaftswahlen zu kandidieren?«
»Nein, aber was hältst
Weitere Kostenlose Bücher