Archer, Jeffrey
arbeiten, Richard.«
»Das geht nicht, Liebling. Keiner von uns bringt das fertig. Deshalb passen wir auch so gut zusammen.«
»Passe ich so gut zu dir?« fragte Florentyna.
»Eigentlich nicht. Könnte ich nochmals anfangen, ich würde Maisie heiraten und mir das Geld für einige Paar Handschuhe ersparen.«
»Mein Gott, was wohl aus Maisie geworden ist?«
»Sie ist sicher noch bei Bloomingdale’s. Nachdem sie die Hoffnung aufgegeben hatte, mich zu umgarnen, heiratete sie einen Vertreter. Also muß ich wohl oder übel bei dir bleiben. Kann ich jetzt endlich meine Berichte studieren?«
Sie nahm ihm die Papiere aus der Hand und ließ sie auf den Boden fallen.
»Nein, mein Schatz.«
Bei der Eröffnung des 94. Kongresses betrat Sprecher Carl Albert in feierlich dunklem Anzug das Podium und klopfte mit dem Hammer, während er auf die im Halbkreis in grünen Ledersesseln sitzenden Mitglieder herabblickte.
Florentyna drehte sich um und lächelte Richard und ihrer Familie zu, die auf der Galerie saßen. Ihre neuen Kollegen betrachtend, stellte sie fest, daß sie noch nie eine Ansammlung so schlecht angezogener Leute gesehen hatte. Ihr hellrotes schickes Kostüm wirkte in dieser Umgebung besonders auffallend.
Der Sprecher bat den Geistlichen, Reverend Edward Latch, den Segen zu sprechen. Hierauf folgten Ansprachen der Führer beider Parteien und ein paar Worte Carl Alberts. Er bat die Abgeordneten, ihre Reden kurz zu halten und während der Reden der Kollegen keinen Lärm zu machen. Dann vertagte er die Sitzung, und alles verließ den Saal, um an einem der Dutzenden Empfänge teilzunehmen, die am Eröffnungstag stattfanden.
»Ist das alles, was du zu tun hast, Mutti?« fragte Annabel.
Florentyna lachte. »Nein, mein Herz, das war nur die Eröffnung, die wirkliche Arbeit beginnt morgen.«
Am nächsten Morgen war selbst Florentyna überrascht.
Sie fand hunderteinundsechzig Poststücke vor, einschließ-
lich zweier alter Zeitungsexemplare; sechs Briefe von Abgeordneten, die sie noch nicht kannte, vierzehn Einladungen zu Empfängen von Handelsgesellschaften und sieben Briefe von Interessengruppen; einige Einladungen, Konferenzen zu eröffnen – ein paar aus Chicago, ein paar aus Washington -, drei Dutzend Briefe von Wählern, zwei Bitten, auf ihre Postliste gesetzt zu werden, vierzehn Lebensläufe von Stellungssuchenden und eine Mitteilung von Carl Albert, daß man sie für das Komitee des Verbandes kleiner Gewerbetreibender und den Finanzausschuß vorgeschlagen hatte.
Der Posteingang schien noch erträglich verglichen mit den fortwährenden Telefonaten, die Bitten der Anrufer umfaßten dabei alles, von Florentynas offiziellem Foto bis zu Presseinterviews. Die Washingtoner Reporter der Chicagoer Zeitungen riefen regelmäßig an, aber auch die Washingtoner Journalisten, die neugierig waren auf eine Kongreßabgeordnete, die nicht wie eine Freistilringerin aussah, meldeten sich regelmäßig. Florentyna lernte rasch die Namen der wichtigsten Journalisten kennen, und Ende März hatte sie der Washington Post sowie einem Wo-chenmagazin Interviews gegeben, die auf der ersten Seite erschienen. Die ständig wiederholte Aufforderung, in der Sendung »Panorama« zu erscheinen, lehnte sie ab; sie versuchte einen Mittelweg zu finden zwischen öffentlichen Auftritten, die ihren Bekanntheitsgrad erhöhten, und dem Verlust ihrer gesamten Freizeit an die Medien.
In diesen ersten Wochen kam sich Florentyna vor wie eine Schnelläuferin, die aber auf der Stelle tritt. Sie war froh, daß die Delegation von Illinois sie für einen freien Platz in dem einflußreichen Finanzausschuß vorgeschlagen hatte – die erste junge Abgeordnete seit Jahren, der diese Ehre zuteil wurde -, stellte jedoch fest, daß nichts dem Zufall überlassen blieb, als sie einen kurzen Brief von Bürgermeister Daley erhielt, der lautete: »Tun Sie etwas für uns.«
Florentyna war zwar von der neuen Welt fasziniert, fühlte sich jedoch manchmal in ihre Schulzeit zurückver-setzt, wenn sie auf der Suche nach Konferenzsälen durch die Korridore eilte, mit der U-Bahn zum Capitol fuhr, um ihre Stimme abzugeben, mit Vertretern der verschieden-sten Lobbys zusammentraf, Fachbücher studierte und Hunderte Briefe unterschrieb. Der Gedanke, eine Unter-schriftenmaschine anzuschaffen, wurde immer verlockender.
Ein älterer Kollege von der demokratischen Partei in Chicago riet ihr, jeden zweiten Monat an die hundertacht-zigtausend Haushalte ihres Wahlkreises einen Brief
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